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Diese Aufzählung gibt nur Beispiele; erschöpfend ist sie
nicht '5, denn die Praxis der russischen Administrativbehörde kennt
nur durch die Tradition geheiligte Maßregeln, durch welche die
persönliche Freiheit wesentlich beschränkt wird. So gehört hier-
her z. B. die Meldepflicht, die Privatpersonen von Administrativ-
organen, Beamten von ihren Vorgesetzten auferlegt wird und im
Notfalle durch zwangsweise Vorführung, oft per Etappe, sank-
tioniert ist 1®.
Die Anwendung der erwähnten Maßnahmen auf Reichsduma-
Umstand, daß die Leibesvisitation in Art. 416 der StPO. und in der Anm.1
zu Art. 1 des Gesetzes über die V. u. V. v. Verbrechen nicht erwähnt ist,
beweist gar nichts, denn diese beiden Artikel behandeln die Maßnahme
durch welche ein Angeschuldigter verhindert werden kann sich der Unter-
suchung zu entziehen, und zu dieser kann eine Durchsuchung der Person
nicht gerechnet werden. Endlich setzt eine jede Leibesvisitation eine vor-
läufige Festnahme der betr. Person voraus. Ist aber die Festnahme ver-
boten, so ist a fortiori auch die Durchsuchung unzulässig.
12 Die Haussuchung als reinpolizeiliche Maßnahme ist der russischen
Gesetzgebung unbekannt; sie trägt immer den Charakter eines Mittels zur
Verfolgung oder zur Aufdeckung eines Verbrechens an sich. Die Polizei
handelt im Falle einer Haussuchung als dienendes Organ der richter-
lichen Gewalt; somit muß die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit dieser
Maßnahme im Hinblick auf Art. 16 bestimmt werden. Es ist selbst-
verständlich, daß das Eindringen der Polizei in die Wohnung eines Abge-
ordneten unbedingt gesetzlich und zulässig ist im Falle einer Gefahr, z.B.
einer Feuersbrunst, oder einer Uebertretung dieser oder jener Paragraphen
der Bau-, Medizinal- u. ä. Ordnungen. Wenn z. B. ein Haus, das einem
Abgeordneten gehört, mit Einsturz droht oder einen Ansteckungsherd bil-
det, so hat der Eigentümer kein Recht sich der Ausführung der vom Ge-
setze vorgeschriebenen Maßnahmen entgegenzustellen.
15 Wenn wir nicht die Befürchtung hegten, mißverstanden zu werden,
so würden wir sagen, daß Art. 15 der erweiternden Interpretation unter-
liegt. Punctum saliens des Art. ist das Verbot der polizeilich-administra-
tiven Maßnahmen, die die persönliche Freiheit der Abgeordneten einschrän-
ken können. Nun ist dieses ein rein formales Moment, denn, wenn die-
selben Maßnahmen von denselben Organen ausgeführt werden, diese aber
in richterlicher Eigenschaft fungieren, so regelt sich dieses nach Art. 16
und nicht nach Art. 15.
18 TARASSOFF, op. cit., 292 fl.