Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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nehmigung der Reichsduma auch zur Vollstreckung eines auf Frei- 
heitsstrafe lautenden Urteils an einem Abgeordneten erforderlich 
sei?. Da nun diese Frage in praxi Zweifel erregte, wurde sie 
auf Ordre des Justizministers dem Kriminalkassationsdepartement 
des Senats unterbreitet, dessen am 10. November 1909 (Nr. 8) 
erfolgte Entscheidung bestimmt, daß ein auf Freiheitsstrafe lau- 
tendes Urteil an einem Reichsdumamitgliede auch während der 
Sitzungsperiode ohne vorherige Genehmigung der Reichsduma voll- 
streckt werden könne. 
Diese Senatsentscheidung muß als vollkommen richtig aner- 
kannt werden; jedoch läßt sich von ihrer Motivierung nicht sagen, 
daß sie überzeugend sei. Zunächst erörtert der Senat den Aus- 
druck „Freiheitsentziehung“, wie er in Art. 16 gebraucht ist. Unter 
Anziehung der russischen Prozeßgesetze kommt er zum Schlusse, 
daß Freiheitsentziehung, nach der Terminologie der Strafprozeß- 
ordnung, eine zwiefache Bedeutung hat, ohne jedoch die Inangriff- 
nahme der Urteilsvollstreckung zu berühren: einerseits wird „Frei- 
heitsentziehung* die Tatsache der Festnahme oder Verhaftung 
während der Untersuchung und überhaupt während des der ÜUr- 
teilsvollstreckung voraufgehenden Verfahrens genannt, andererseits 
wird unter Freiheitsentziehung ein dauernder Zustand der Unfrei- 
heit während der Untersuchungs- resp. Strafvollzugshaft verstan- 
den. Hieraus wird nun gefolgert: „Die Voraussetzung, daß Art. 16 
den Begriff der Freiheitsentziehung weiter fasse, ist unhaltbar“. 
Eine solche Voraussetzung ist auch überflüssig, denn die Annahme 
genügt vollkommen, daß Art. 16 des Reichsdumastatutes den frag- 
lichen Ausdruck in eben dem Sinne, wie Art. 388 der Strafprozeß- 
ordnung, gebrauche, in welchem als legaler Grund des Nichterscheinens 
zur Voruntersuchung in Punkt 1 Freiheitsentziehung anerkannt wird. 
Nun unterliegt es keinem Zweifel, daß hier unter Freiheitsent- 
ziehung auch die Freiheitsentziehung auf Grund eines rechtskräf- 
tigen Urteils gemeint ist. Und dieses war zu beweisen — daß 
» Stenogr. Berichte 1907, 2. Session, B. I, Sp. 1422. 
17 *
	        
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