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vollen Wirkens. Wir können diesen Lohn und dieses Lob mit dem Gefühl
unserer tiefempfundenen Pietät nur mehr dem verehrungswürdigen Anden-
ken des allzufrüh verstorbenen Verf.s spenden.
Juliusv. Wlassics.
Wehberg, Hans, Das Problem eines internationalen Staaten-
gerichtshofs („Das Werk vom Haag.“ Unter Mitwirkung von
v. Bar f, FLEISCHMANN, KOHLER, LAMMASCH, V. LiSZT, MEURER,
NIEMEYER, NIPPOLD, v. ULLMANN + und WEHBERG herausgegeben
von WALTHER SCHÜCKING, Bd. II, München 1912, Duncker und Hum-
blot, XX und 246 Seiten).
„Recht und Politik verhalten sich wie sittliche Notwendigkeit und
Zweckmäßigkeit, oder wie Allgemeines (Idee) und dessen konkrete Dar-
stellung (Praxis). Die Aufgabe der Politik ist daher, dem Rechte zur Macht,
d.h. zur praktischen Geltung zu verhelfen und hierzu die unter gegebenen
faktischen Verhältnissen zweckmäßigsten und besten Organisationen zu ver-
schaffen.“ So schrieb schon gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts der
Heidelberger Staatsrechtslehrer ZOEPFL. Die Erkenntnis, daß es deshalb
aber auch Aufgabe der Rechtswissenschaft sein muß, Vorarbeit zu leisten
für die von der Politik zu erfüllende Aufgabe der Schaffung einer die
Rechtsidee verwirklichenden Organisation des öffentlichen Lebens blieb aber
von der Wissenschaft des öffentlichen Rechts ungenutzt, bis in unseren
Tagen einerseits der Gedanke eines richtigen Rechts auch die Juristen
wieder zu beschäftigen anfing, andererseits G. JELLINEK uns lehrte, den
politischen Wertinhalt der öffentlichrechtlichen Institutionen ins Auge zu
fassen. So hat sich in unseren Tagen wieder die Auffassung Geltung ver-
schafft, daß die Rechtswissenschaft sich nicht mehr darauf beschränken
darf, in einem ein für allemal feststehenden Systeme die neuen Rechts-
bildungen zu registrieren; daß sie vielmehr die mit diesen neuen Bildungen
in die Erscheinung tretenden tieferen Rechtsgedanken herausarbeiten muß;
daß sie aus dieser Erkenntnis der in dem tatsächlichen Gang der Rechts-
entwicklung nachweisbaren Rechtsgedanken die Formen und Wege des
Rechts konstruieren muß, die den in jenen Rechtsgedanken sich ausprägen-
den Rechtsbedürfnissen des modernen Lebens Erfüllung bringen können.
Auf der Anwendung dieser Auffassung von den Aufgaben der Rechtswissen-
schaft auf die Völkerrechtslehre beruht der Gedanke des „Werk vom Haag“ ',
als dessen zweiter Band das Buch von WEHBERG erschienen ist. Nur für
denjenigen, der diese Auffassung teilt, kann daher dies Buch als rechts-
wissenschaftliches Werk in Betracht kommen.
Kine Weiterentwicklung des Völkerrechts auf der Grundlage des bisher
ı Eine allgemeine Charakteristik des „Werk vom Haag“ habe ich im
Leitartikel des Literaturblattes der Frankfurter Zeitung vom 20. April 1913
zu geben versucht.