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Fragen scheint mir der Widerspruch des Verf. gegen jetzt sehr beliebte
Anschauungen — denen bisher mein Widerspruch ziemlich vereinsamt ent-
gegengestanden hatte — sehr erfreulich. Hierher rechne ich vor allem die
Feststellung, daß die Anwendbarkeit der Polizeistunde gegenüber Versamm-
lungen, weil das Verbot der Uebertretung der Polizeistunde Reichsrecht ist,
nicht prinzipiell ausgeschlossen ist; aber auch die Lehre, daß in Strafsachen
keine Zeugnispflicht gegenüber der Polizei besteht; sowie endlich die prin-
zipiellen Bedenken, die Verf. gegen die Einführung eines Gemeindemono-
pols durch Polizeiverordnungen erhebt, obwohl ich die ausschlaggebende
Bedeutung, die er jenen Bedenken beimißt, nicht in demselben Maße an-
erkennen kann (vgl. übrigens jetzt meine Ausführungen im Verw.-Arch. XXI,
519 ff... Die Gründe meiner Auffassung sind dabei gerade solche, die zur
Illustration der allgemeinen Lehren des Verf. nicht uninteressant sind: auf
dem Gebiet der Trinkwasserversorgung, des Abfuhrwesens u. dgl. haben die
Fortschritte der chemischen und medizinischen Wissenschaft einerseits die
Gefahren jeder Unreinlichkeit jetzt klarer ins Licht gesetzt als früher, sie
haben andererseits die technische Möglichkeit gefunden, solchen Unrein-
lichkeiten vorzubeugen. In der Schwierigkeit dieser Vorbeugung ist es
begründet, daß sie tatsächlich nur in der Hand oder unter der Kontrolle
öffentlicher Körperschaften zu verwirklichen ist. So haben also die Er-
kenntnisse der Wissenschaft einerseits, die reine Tatsache der Unmöglich-
keit der privaten Durchführung der von der Wissenschaft geforderten Maß-
nahme im Sinne der allgemeinen Darlegungen JELLINEKs eine „Rechtssatz-
wirkung“ dahin, daß die ausschließliche Tätigkeit der Kommunen auf den
fraglichen Gebieten eine Notwendigkeit im polizeilichen Interesse der Ab-
wehr von Gesundheitsgefahren darstellt.
GEORG JELLINEK pflegte, wenn er seinen Schülern von dem Geist seines
Wirkens sprach, zu sagen, er erblicke die Aufgabe seiner Lehrtätigkeit
mehr in der Anregung zum wissenschaftlichen Denken und Arbeiten, als in
der Vermittlung fertigen, positiven Wissens. Wenn der Sohn W. JELLINEK
seine wissenschaftliche Aufgabe ebenso auffaßt, so hat er sie mit dem ersten
Teile seines Werkes in weitem Maße erfüllt. Mit dem zweiten Teile des
Buches aber hat er sich ein Verdienst um das, wenn auch allgemeine, so
doch positive Verwaltungsrecht erworben. Die polizeirechtlichen Erörte-
rungen JELLINEKS zeigen in erfreulicher Weise, wie sehr die wissenschaft-
licbe Bearbeitung dieser juristisch interessanten, im bürgerlichen Leben so
außerordentlich wichtigen Materie in den letzten Jahren vorangeschritten
ist. Glaubte ich noch im Jahre 1911 nach vorhergehenden rechtsgeschicht-
lichen Untersuchungen über die Grenzen der Polizeigewalt einen einfachen
Vortrag über die Richtlinien des polizeilichen Wirkens (Pr. Verw.-Bl.XXXII,
257 ff.) veröffentlichen zu sollen, weil es bis dahin eine prinzipielle, immer-
hin (im Gegensatz zu den grundlegenden Erörterungen O. MAYERs und dem
Vortrag von AnscHüUTZz in der Gehe-Stiftung 1910) ins einzelne gehende Er-