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schaften der Volksrechte entspricht dann dem Ueberwiegen genossenschaft-
licher Gesichtspunkte in allen Grundlagen des Volksrechtslebens ein Zurück-
treten desjenigen der Freiheit des einzelnen. Tatsächlich ist auch dem
Gedanken der Genossenschaftlichkeit gegenüber kein Raum für denjenigen
der Freiheit, weil diesem der Gegensatz fehlt. Bezeichnend ist es daher,
daß die Bezeichnung „Volksfreiheit* im langobardischen Recht aufgetreten
ist nur dadurch, daß hier ein außerhalb des genossenschaftlichen Rechts-
ausgleichs liegender begrifflicher Gegensatz sich entwickelt hat in der
Rechtsstellung der unterworfenen Römer; auch in anderen Rechten, dem
salischen z.B., zeigt sich die Bedeutung der Freiheit nur im Gegensatz zur
Sklaverei. Ebenso ist in der Einzelwirtschaft der Karolingerzeit dieser
Gesichtspunkt allein noch von Bedeutung z. B. für die Scheidung zwischen
der Allgemeinheit der abhängigen Bauern und einer der Tradition nach
noch „freien“ Oberschicht innerhalb dieser Klasse und die Verschieden-
artigkeit ihrer rechtlichen Folgen. Aber auch in den Siedlungsgenossen-
schaften der Karolingerzeit begründet nach den Darlegungen des Verf. die
Marksetzung nicht ein Gewaltverhältnis gegenüber der königlichen Macht,
das die Begründung eines Begriffes staatsbürgerlicher Freiheit als Gegen-
satz hätte verursachen können, denn es nımmt nur in ıhr „der Wille der
Volksgesamtheit, verkörpert durch den König und seine Diener, einfach das
für sie in Anspruch, was ihr Bewußtsein, dargestellt in dem Urteil der
freien Siedlungsgenossen, als von Alters her für sie bestimmt, ihr zustehend
erkannt“. Selbst in der Siedlungsgenossenschaft der grundherrlichen Zeit
sehen wir in der Darstellung des Verf. die auf dem „genossenschaftlichen
Gerüst der deutschen Gesellschaft“ aufgebaute Rechtsauffassung der Frei-
heit noch weiterwirken, wie sie sich zusammensetzt aus den zwei Elementen:
„Freiheit von jeder anderen als öffentlichen Gewalt“ einerseits, „genossen-
schaftliche Zusammensetzung und Handhabung dieser Gewalt“ andererseits.
Dies Ergebnis der historischen Untersuchungen B.s ist für die Lehre
vom Staat und seinem Recht von gar nicht hoch genug einzuschätzender
Bedeutung. Die historisch erwiesene Tatsache, daß — wenigstens in dem
rechtlichen Denken und Empfinden des deutschen Volkes — die genossen-
schaftliche Bindung nie eine Veranlassung gegeben hat, den seinem Wesen
nach negativen (durch den Gegensatz zu einer Beschränkung gegebenen)
Begriff der Freiheit im Sinne einer Freiheit vom Staate auszubilden, zeigt,
daß solche genossenschaftliche Bindung nie als „Beschränkung“ empfunden
worden ist. Diese staats- und rechtswissenschaftliche Erkenntnis ihrerseits
ist nun von der allergrößten Wichtigkeit für die Beurteilung unseres heuti-
gen Staats- und Rechtslebens und seiner Entwicklungsmöglichkeiten, denn
in den neuen Rechtsbildungen unserer Tage spielt der Gedanke der Ge-
nossenschaftlichkeit wieder eine große und zunehmende Rolle. Da ist es
denn für die Lebens- und Fortbildungsfähigkeit der auf jenen Gedanken
gestellten Rechtebildungen von entscheidender Bedeutung, daß die genossen-