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Die Arbeit sucht durch eingehende Interpretation der Friedensverträge
der deutschen 'Theorie eine Stütze zu geben. Die Interpretation ist logisch,
fast etwas zu logisch und kunstreich. Man fragt sich, ob wirklich das so
überaus wichtige Prinzip des Nationalitätenwechsels durch feine Begriffs-
analyse und aufmerksame Satzvergleichung mühsam herausgearbeitet wer-
den soll. Und trotz der Sorgfalt und Klarheit der Darstellung steht man
immer unter dem Eindruck, daß die offiziellen Theorien freizügiger und
überzeugender verfahren, wenn sie die Lösung in den Prinzipien des Völ-
kerrechts oder in den klaren Sätzen des Optionsrechtes suchen.
Die verdienstvolle Arbeit schließt mit einer interessanten Behandlung
von Spezialfragen -—- sie erörtert z. B. das Optionsrecht der verheirateten
Frauen und der Minderjährigen.
Redslob.
Semeka, Gregor, Dr. jur., Privatdozent an der Universität München,
Ptolemäisches Prozeßrecht. Studien zur ptolemäischen
Gerichtsverfassung und zum Gerichtsverfahren. Heft I. 311 Seiten.
München 1913. C. H. Becksche Verlagsbuchhandinng, Oskar Beck.
Die aus einer Münchner Habilitationsschrift hervorgegangene Arbeit
beabsichtigt, das ägyptische Prozeßrecht unter der Lagidenherrschaft in
seiner Entwicklung darzustellen. Das vorliegende Heft behandelt die Ge-
richtsverfassung (Die ptolemäische Rechtsprechung im allgemeinen. Der
König als Gerichtsherr und oberster Richter. Beamtenrichter. Das Kon-
silium des Beamtenrichters. Kollegialgerichte. Die Sondergerichtsbarkeit.
Die Uebergabefunktion und die Delegation. Die ArkAvcıg) und einen Teil
des Verfahrens (Parteien und ihre Vertreter. Die allgemeinen Prozeßgrund-
sätze. Die Einleitung des Verfahrens. Die Klage). Im nächsten Heft sollen
die Beweismittel, die Urteilslehre, die Exekution und die Gestellungsbürg-
schaft erörtert werden. Schließlich soll ein Ausblick auf die rechtlichen
Erscheinungen der Zeit des Uebergangs zur römischen Herrschaft gegeben
werden.
Nach SEMEKA bestimmen drei Grundgedanken den Aufbau der ptole-
mäischen Gerichtsverfassung.
Der Grundsatz der 8ı&Xvo:g fordert, daß das volle Streitver-
fahren möglichst vermieden, daß vielmehr der Beklagte veranlaßt werde,
freiwillig dem Kläger das ihm Gebührende zu leisten. „’Ex&ievov ı& di-
ra ro Aupındaxp nornoaı“ berichtet ein mit einem Dialysisversuch beauf-
tragter Epistat an den Strategen (S. 84). Die historische Erklärung dieser
Rechtssitte sucht SEMEKA in der geringen praktischen Bedeutung der res
judicata, die — im Grunde wenigstens — weiteres Prozessieren nicht aus-
schloß und zwar nicht rechtlich (vgl. lex Salica), wohl aber tatsächlich die
Unvollstreckbarkeit der Urteile bewirkte. Mit dem d#Avarg-Prinzip hängt