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aber z. B. LINGG sich der LABANDschen Konstruktion bedient, um
die Identität von Reichs- und Landesgesetzgeber zu erweisen und
dabei den seiner Ansicht nach „hegelisierenden“ Gegnern dieser
Konstruktion vorhält, es sei widersinnig, das Volk oder die Volks-
vertretung neben dem Monarchen als Gesetzgeber gelten zu lassen,
weil soust Subjekt und Objekt der Herrschaft zusammenfiele, Ob-
jekt und Subjekt aber nicht in einer Person vereinigt sein könne ®®,
so sei — ohne ihm den Vorwurf der Hegelei zurückzugeben —
lediglich die Frage aufgeworfen, wer denn in einer unmittelbaren
Demokratie ROUSSEAUschen Charakters als Gesetzgeber zu gelten
habe? '
Gerade das in Frage stehende Verhältnis zwischen Reichs-
und Landesgesetzgeber zeigt deutlich die Unhaltbarkeit der LABAND-
schen Konstruktion. Wenn als Gesetzgeber ausschließlich und
allein der Monarch nicht nur im absoluten Staat, sondern auch
dort zu gelten hat. wo nach konstitutionellem Prinzipe zur Ent-
stehung eines Gesetzes neben der Sanktion des Monarchen auch
der Beschluß eines Parlamentes notwendig ist, dann müßte bei
Identität des Monarchen die Verschiedenheit der mitwirkenden
parlamentarischen Körperschaft völlig gleichgültig bleiben. Reichs-
gesetz und Landesgesetz wären tatsächlich Normen derselben
rechtsetzenden Autorität ohne Rücksicht darauf, daß das eine den
Beschluß des Reichsrates, das andere den Beschluß eines Land-
tages zum Inhalt hat. Die Identität des sanktionierenden Organes
ist allein maßgebend. Wäre diese Voraussetzung richtig, dann
wäre ein Konflikt zwischen Reichsgesetz und Landesgesetz ebenso
undenkbar, wie zwischen Reichsgesetz und lteichsgesetz oder zwi-
schen Landesgesetz und Landesgesetz ; die Regel der lex posterior
müßte jeden Konflikt ausschließen. Dem ist aber garnicht so! Nach
den Bestimmungen des Februarpatentes von 1861 kann die Landes-
?? LinaG, Die staatsrechtliche Stellung der im Reichsrate vertretenen
Königreiche und Länder der österr. Monarchie. Juristische Vierteljahrs-
schrift, Wien 1892, S. 82.