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Da JELLINEK für Oesterreich die Identität der normsetzenden
Autorität in Reich und Land von vornherein annimmt, müßte
natürlich jeder Konflikt zwischen Reichs- und Landesgesetz aus-
geschlossen sein. „In Oesterreich steht aber dem kaiserlichen
Willen im Reiche der kaiserliche Wille im Lande gegenüber. Ein
Konflikt des kaiserlichen Willens mit sich selber ist aber nicht
denkbar“**. Allein die LABANDsche Konstruktion. die den Mo-
narchen allein als Gesetzgeber gelten läßt. beweist hier zu viel!
Denn trotz der Gemeinsamkeit dieses Faktors bei der Gesetz-
gebung des lteiches und der Länder ist ein Konflikt zwischen
dem Reichs- und den Landesgesetzen möglich! Nennt doch JELLINEK
— wie bereits eingangs bemerkt — das Rapitel, in dem er aus der
Identität des Gesetzgebers in Reich und Land die Unmöglichkeit eines
Konfliktes ableitet. geradezu: „Die Konflikte zwischen Reichs- und
Landesgesetzgebung“, und fordert darin eine Remedur dieser ge-
fährlichen Konfliktsmöglichkeit. die, wenn seine Konstruktion rich-
tig wäre, gar nicht bestehen könnte, ebensowenig bestehen könnte
wie zwischen lteichsgesetzen und Landesgesetzen, weil hier wie
dort jeder Konflikt von vornherein durch das rechtslogische Inter-
pretationsprinzip der lex posterior seine Lösung finden müßte. Wenn
ein Landesgesetz auf Grund der Landesordnung nur durch ein
Gesetz abgeändert werden kann, das unter Mitwirkung des Land-
tages zustande gekommen ist, muß ein mit einem Landesgesetz
in Widerspruch stehendes unter Mitwirkung des Reichsrates zu-
stande gekommenes Gesetz eben vom Standpunkte der Landes-
ordnung ungültig sein. Wenn aber die Derogierung eines Reichs-
durch ein Landesgesetz und umgekehrt eben nur wegen der Ver-
schiedenheit der bei der Gesetzgebung mitwirkenden Parlamente
ausgeschlossen ist, dann kann keine Identität der normsetzenden
Autoritäten behauptet werden, von denen Reichsgesetz und Lan-
desgesetze ausgehen. Wenn aber die Identität der normsetzenden
2 A. a. 0. S. 32.