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Menschen keineswegs die juristische Erkenntnis einer Rechts-
persönliehkeit gegeben sein. Ob dieser Mensch eine Person ist
— wie man sich auszudrücken pflegt — das kann mich nur ein
Blick auf die Rechtsordnung lehren und keine auch noch so
gründliche Erkenntnis der Wirklichkeit. Nur wenn die Rechts-
ordnung seine Persönlichkeit statuiert. kann ich eine solche an-
nehmen.
Und ebenso kann die Frage. ob Oesterreich mit Ungarn einen
einheitlichen Staat bilde — sofern diese Frage eine Rechts-
frage sein soll — nicht aus irgendwelchen historiseh-sozialen
ltealitäten heraus, sondern nur aus der Erkenntnis bejaht oder
verneint werden, ob eine einheitliche, für Oesterreich und Ungarn
geltende Rechtsordnung gilt oder nicht. Diejenigen, die juristi-
sche Fragen mit historisch-soziologischen Tatsachen lösen zu kön-
nen glauben. vergessen. daß diese Tatsachen erst juristisch ge-
deutet, d.h. gewertet werden müssen, und daß es für die
juristische Erkenntnis eben nur auf diese Deutung oder Wertung,
nicht aber auf die Tatsachen ankommt. Wenn z. B. die Einheit
der österreichisch-ungarischen Monarchie aus der Tatsache geschlos-
sen wird, daß es einen einzigen Monarchen und einheitliche Verwal-
tungsorgane, eine einheitliche Armee Oesterreich-Ungarns gebe, daß,
wo Staatsorgane vorhanden seien, doch ein Staat nicht fehlen
könne, so übersieht man, daß es juristisch ja gerade in Frage
steht, ob diese für eine Wirklichkeitsbetrachtung sich einheitlich
darstellenden Organe rechtlich Organe eines Staates, oder
gemeinsame Organe zweier Staaten sind. Und die Beantwor-
tung dieser Frage wird davon abhängen, ob diese Organe ihre
Stellung auf eine oder auf zwei voneinander verschiedene Rechts-
ordnungen zurückzuführen haben.‘ Das letztere wird man ja gegen-
wärtig kaum noch bezweifeln. Aber es ist ganz der gleiche Fehl-
schluß, wenn man Reichsgesetz und Landesgesetz darum als Nor-
men desselben Staates erklärt, weil die Reichsgesetze ebenso wie
die Landesgesetze von demselben Kaiser sanktioniert, von den-