Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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sen, ohne daß aber ihre Verletzung die Nichtigkeit des fehler- 
haften Gesetzes zur Folge haben kann, dann haben sie ihren ur- 
sprünglichen rechtlichen Charakter verloren und statuieren nicht 
mehr ein rechtliches Können, sondern — in Verbindung mit 
den Vorschriften über Ministerverantwortlichkeit — ein rechtliches 
Sollen. Die Anomalie, die vom rechtstechnischen Standpunkte 
einem derartigen Zustande anhaftet, erhellt am deutlichsten 
daraus, daß in diesem Falle ein Minister immer nur wegen der 
Kontrasignierung eines durchaus gültigen Gesetzes angeklagt 
und bestraft werden kann. 
Ob speziell in der österreichischen Verfassung eine Verbin- 
dung zwischen den Bestimmungen über das Zustandekommen von 
Gesetzen und den Vorschriften über Ministerverantwortlichkeit 
möglich ist, muß zweifelhaft bleiben, und zwar aus folgenden 
Gründen: Erstens ist die Verantwortlichkeit des Ministers auf 
Grund des Gesetzes über die Verantwortlichkeit der Minister wie 
auch des Staatsgrundgesetzes über die Ausübung der Regierungs- 
und der Vollzugsgewalt (Art. 2) auf die „Regierungsgewalt* 
und „Regierungsakte“ des Kaisers beschränkt; darunter ist 
im Sinne der 1867er Verfassung nur die Exekutive, nicht aber 
die Legislative verstanden. Dieser Auffassung zufolge könnte die 
ministerielle Verantwortlichkeit für keinen Akt der Legislative 
in Betracht kommen, weder für einen Beschluß des Parlamentes 
(Reichsrat oder Landtag), noch für die Sanktion des Monarchen. 
Insbesondere wäre der Akt der kaiserlichen Sanktion -- weil kein 
„Regierungsakt*, kein Akt der „ Regierungsgewalt“, sondern ein 
Gesetzgebungsakt — durch keine ministerielle Kontrasignatur 
gedeckt und auch einer solchen Deckung gar nicht fähig. Zwei- 
tens aber bezieht — durchaus in Uebereinstimmung mit dieser 
Auffassung — der die Gesetzespublikation regelnde Art. 10 des 
Staatsgrundgesetzes über die Ausübung der Regierungs- und Voll- 
zugsgewalt die „Mitfertigung eines verantwortlichen Ministers* 
ausdrücklich auf „die Kundmachung der Gesetze“. Die Kund-
	        
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