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machung aber ist — darin muß der Auffassung des letztzitierten
Staatsgrundgesetzes zugestimmt werden — ein Akt der Exekutive
(oder doch zumindest auch der Exekutive). Und somit steht
der Art. 10 durchaus im Einklang mit dem Ministerverantwort-
lichkeitsgesetz, wenn er für die vom Kaiser zu veranlassende
Kundmachung der Gesetze — also einen Akt der Regierungsge-
walt — ministerielle Kontrasignatur fordert und so den Minister
für eben das verantwortlich macht, was der Richter zu prüfen
berechtigt ist: die gehörige Publikation.
Akzeptiert man diese Auffassung, dann sind alle das Zu-
standekommen und die Abänderung von Gesetzen betreffenden
Bestimmungen unserer Verfassung (soweit sie sich auf das Sta-
dium bis zur Publikation beziehen) nicht nur für die Frage
der Gültigkeit von Gesetzen irrelevant, sondern überhaupt nach
jeder Richtung hin rechtlich irrelevanter Gesetzesinhalt. Sie kön-
nen nur als politische Prinzipien angesehen werden, die gewisse
Faktoren moralisch binden mögen, aber zur juristischen Kon-
struktion nicht herangezogen werden dürfen.
Die Auffassung, derzufolge sich die Ministerverantwortung in
keiner Weise auf legislative Akte beziehen kann, ist jedoch kei-
neswegs die einzig mögliche. Entschließt man sich, das Wort
„Regierung“, so wie es die Verfassung gebraucht, in einem wei-
teren Sinne zu nehmen, so kann man mit der nach Art. 10 des
Staatsgrundgesetzes über die Ausübung der Regierungs- und Voll-
zugsgewalt erfolgten Kontrasignatur dem kontrasignierenden Mi-
nister die rechtliche Verantwortung für den Sanktionsakt zuer-
kennen. In diesem Falle haftet der Minister nicht bloß — wie
im vorhergehenden, wo sich die Verantwortung lediglich auf
die Publikation bezieht — dafür, daß dasjenige, was als Ge-
setz publiziert wird, wirklich vom Kaiser zur gesetzlichen Publi-
kation befohlen und gehörig kundgemacht wurde, sondern
41 Ueber die Doppelnatur des Publikationsaktes vgl. meine Hauptpro-
bleme 8. 426 ff.