Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

38 — 
arch und Landtag wird damit analog auf das Deutsche Reich 
übertragen. 
Es erhebt sich die Frage: wie hat man sich das Zustande- 
kommen des Gesetzes zu denken? Enthält der Sanktionsbeschluß 
des Bundesrates an sich schon den Staatswillen? Die herrschende 
Lehre muß dies bejahen, weil nach ihr der Bundesrat der eigent- 
liche Gesetzgeber ist, der Reichstag dagegen nur das Recht der 
Zustimmung hat, die von außen her an die Erklärung des Bundes- 
rates Iıerantritt. Betrachten wir zunächst die „Zustimmung“ des 
Reichstags. In wessen Namen erfolgt dieselbe? Im Namen des 
Reichstags? Dies ist nicht möglich, weil der Reichstag kein Sub- 
jekt des öffentlichen Rechts, sondern ein Staatsorgan ist. Er 
kann also seine „Zustimmung“ nicht im eigenen Interesse abgeben. 
Oder gibt er sie im Namen des deutschen Volkes ab? Diese 
Auffassung ist ebenso ausgeschlossen, weil das deutsche Volk kein 
Rechtssubjekt ist?. Der Reichstag ist vielmehr ein Organ des 
Reichs, gibt also seine „Zustimmung“ im Namen des Reichs ah. 
Der Bundesrat gibt aber seine Erklärung ebenso im Namen des 
Reiches ab. Es wäre also die außerordentlich merkwürdige Er- 
scheinung zu verzeichnen, daß das Reich durch den Bundesrat 
seine eigentliche Willenserklärung abgibt und durch den Reichs- 
tag seine eigene Zustimmung dazu ausspricht! Dies ist 
nicht möglich. Die Sachlage ist vielmehr folgende: der Gesetz- 
gebungsprozeß hat die Eigentümlichkeit, daß zwei getrennte 
Willenserklärungen zweier Organe als einheitliche Willens- 
erklärung einer dritten Person, des Staates, aufgefaßt werden 
® Diese Auffassung ist sowohl dann gegeben, wenn man ein Rechts- 
verhältnis zwischen Reichstag und dem deutschen Volk ablehnt, den Reichs- 
tag also nur als politische Vertretung des Volkes ansieht (LABAnD, Staats- 
recht 5. Aufl. 1911 I, S. 296£.), als auch dann, wenn man dem Volk die 
Eigenschaft eines primären Organs zuschreibt und dasselbe durch den 
Reichstag als sekundäres Organ vertreten läßt (JELLINEK, Allgem. Staats- 
lehre S. 500, 517). Auch nach letzterer Auffassung spricht der Reichstag 
in letzter Linie im Namen des Reichs.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.