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Staat kann entweder sich selbst zum Träger der Gewalt bestellen
oder zulassen, daß andere sie in eignem Namen ausüben '".
Gewalt auf der einen, Unterwerfung unter sie auf der an-
deren Seite sind bisher Begriffsmerkmale. Beide finden sich bereits
beim Staat und dem Untertan. Doch unterscheidet sich dieses
allgemeine Gewaltverhältnis'” von den hier behandelten besonderen
durch das Moment der Herrschaft'”. Der Staat herrscht über
seine Untertanen, nicht über seine Beamten; die öffentliche An-
stalt, der Arbeitgeber, der Dienstberechtigte, sie alle können Be-
fehle erteilen, aber sie herrschen nicht. Die Befolgung der Be-
fehle in den zivilrechtlich begründeten Gewaltverhältnissen oder
(um bereits hier den kürzeren Ausdruck einzuführen) Sonder-
gewalten ist nicht bloße Erfüllung einer Leistungspflicht.
Ich kann meinem Diener befehlen mich zu bedienen, aber ich
kann nicht dem Verkäufer befehlen, mir die verkaufte Sache zu
übergeben. In jenen Verhältnissen wird durch Vertrag, oder
welch andere Begründungsform es sein mag (s. o.), außer An-
spruch und Pflicht ein Besonderes geschaffen, eine sozialrechtliche
1 Vgl. v. LiszT a. a. O.
102 Der Begriff des Gewaltverhältnisses findet sich in der staatsrecht-
lichen Literatur, soweit ich sehe, zum ersten Mal bei v. GERBER, Grund-
züge eines Systems des deutschen Staatsrechts 1869 2. Aufl. 44 zur
Erklärung der Beziehungen zwischen Staat und Untertan; in diesem Sinn
auch bei Rosın AnnDR. 1883 299; O. Mayer I 109 N. 13; TaomA 17. Das
spezielle Gewverh. ist näher untersucht von LABAND 1. Aufl. (1876) I 386
(Beamtenrecht), 5. Aufl. 1433; O. Mayer I 107 f£., IL 335; DEMS. ArchOeffR.
352ff.; JELLINEK Syst. 171 i. f. 214/8; HusriıcH 9ff.; HAENEL, Deut-
sches Staatsrecht 1892 Bd. I 457; FLEINER, Institutionen des deutschen
Verwaltungsrechts, 3. Aufl. 1913 S. 155 ff.; LABEs a. a. O. 248 ı. f.,; Kann,
7#.; zuletzt von NAwıasky, Forderungs- und Gewaltverhältnis, i. d. Fest-
schrift f. ZITELMANN 1913 Teil III, der im wesentlichen eine — sehr sorg-
fältige — literarische Rundschau veranstaltet. Seine Stellung zu dem Problem
(bes. S. 30 ff.) konnte eingehender leider nicht mehr berücksichtigt werden,
da mir seine Arbeit erst zugänglich wurde, als mit der Drucklegung dieses
Aufsatzes bereits begonnen war.
‘#3 Daß dies dem Staat eigentümlich sei, ist von Rosın a. a. O. 269,
296 ff. bestritten; s. u.