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2. Strafen. Ihre rechtliche Natur ist bestritten. Eine ein-
gehende Erörterung muß, da es sich nur um eine Vorfrage han-
delt, unterbleiben.
Es fragt sich, ob die Disziplinarstrafen wegen des in ihnen
enthaltenen Wortes „Strafe“ mit der kriminellen Strafe gemein-
same Berührungspunkte haben, d. h. ob es für beide einen ge-
meinsamen Oberbegriff der Strafe gibt.
Schon ein flüchtiger Blick auf die Strafgewalt des Staats und
die der Sondergewalt zeigt, daß große Unterschiede vorhanden
sein müssen: Im Gegensatz zu der großen Zahl der kriminell
strafbaren Delikte gibt es im Grund nur ein einziges Dis-
ziplinardelikt, nämlich Verletzung der dem im Sonderrechtskreis
Stehenden obliegenden Pflichten '”. Aufzählung der dabei denk-
baren Fälle ist unmöglich. Das Beamtenrecht begnügt sich im
allgemeinen mit jenem einen Delikt; die parlamentarische Dis-
ziplin nennt, wie zu zeigen sein wird, mehrere. Die Strafarten
des Strafrechts sind verschieden von denen des Disziplinarrechts.
Die urteilenden Behörden sind andere, und das Legalitätsprinzip
gilt in der Sondergewalt nicht, wenigstens in der Regel nicht”.
Scharf zu trennen bei der Feststellung des Unterschieds ist
die Frage nach dem Begriff der Strafe und die nach ihrem
Zweck.
Ueberblicken wir die positiven Bestimmungen über die Dis-
ziplinarstrafen, so lassen sich folgende Sätze erkennen: a) sie
treten ein nach vollzogener Verletzung des Sonderrechts, und
zwar b) wegen eines Unrechts, welches in der oben gekennzeich-
neten Pflichtverletzung besteht; c) sie enthalten ein Unwerturteil
des Sonderkreises ; d) sie werden erkannt von einer Instanz, der
der zu Bestrafende unterworfen ist; e) sie ist ein Rechtsnachteil,
und zwar ein Uebel.
182 7, RBG. $ 72: „Ein Reichsbeamter, welcher die ihm obliegenden
Pflichten ($ 10) verletzt, begeht ein Disziplinarvergehen“. Weitere zahl-
reiche Nachweise bei G. MEYER 521 N. 15.
183 Einige Ausnahmen s. u. S. 500.