Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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Ist aber das Parlament den Regierungsvertretern gegenüber 
überhaupt machtlos? 
Die Frage beansprucht fast nur, da solche Ereignisse relativ 
selten sind, theoretisches Interesse. Doch herrschte ın der Literatur 
große Unklarheit über die Macht des Parlaments, und es ist 
HUBRICHs Verdienst, hier als erster überhaupt einmal an die 
juristischen Gesichtspunkte gerührt zu haben, wenn seine Argu- 
mentation auch unrichtig ist. 
Wo die Regierungsvertreter Abgeordnete sein dürfen '°', d.h. 
wo keine Inkompatibilität vorgeschrieben ist (wie durch RV. 
Art.9 8. 2), ist zwischen der Tätigkeit der Minister qua Abgeord- 
dnete und der qua Minister zu unterscheiden. 
Man streitet darum, ob diese Teilung überhaupt möglich ist. 
Als ob derartige Unterscheidungen in der Rechtswissenschaft un- 
bekannt seien! (Man denke nur an die Trennung von Verwaltung 
qua Gesetzgebung, wenn sie zum Erlaß von Rechtsverordnungen, 
z. B. Polizeiverordnungen ermächtigt ist, und von Verwaltung qua 
Verwaltung, wenn sie als handelnde'”” Staatsgewalt auftritt.) In 
Frankreich meinte man am 21. Februar 1821 in der Deputierten- 
kammer, daß der Minister immer im Namen des Königs spräche, 
gleichviel ob er Abgeordneter sei oder nicht; daher sei der Ord- 
nungsruf unzulässig; das einzige Mittel sei eine Adresse an den 
König '”. Später jedoch glaubte man, die Unterscheidung durch- 
führen zu können‘. Für das Deutsche Reich behauptet ledig- 
den deutschen Verfassungen erkennt dieses Ergebnis ausdrücklich an, näm- 
lich die von Reuß ä. L. $83 S. 4: „Der Disziplinargewalt sind dieselben 
(d. bh. Mitglieder der Landesregierung) selbstverständlich nicht 
unterworfen“, 
151 Z. B. Preußen VU. 60 III; Italien SF. 66 II. 
152 AnSCHÜTZ, Justiz und Verwaltung bei HINNEBERG, Kultur der Gegen- 
wart II, 8 1906 S. 346; DERS. Enzykl. 169. 
"53 PIERRE 1 457. 
154 DERS. a. a. O. (am 5. VII. 1849) und S. 458 (am 21. III. 1887 im 
Senat).
	        
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