die Krone irgendwelche Kritik zu üben“. so kann darauf nur
erwidert werden, daß ARNDT in leicht erkennbarer Weise zweierlei
miteinander verwechselt, nämlich den Inhalt der Rede mit ihrer
Forn. Gewiß ist richtig, daß der Regierungsvertreter des Staates
Ansichten vorträgt'””, die Form aber wählt nicht dieser, sondern
allein der Regierungsvertreter. Ist seine Wahl hierbei verfehlt,
läßt er sich dabei persönliche Angriffe auf Abgeordnete zu schul-
den kommen, so liegt eine Veranlassung zum Einschreiten des
Präsidenten vor. Oder will ARNDT seine Worte etwa so aufgefaßt
wissen, daß der Minister juristisch überhaupt keine Ordnungswidrig-
keiten begehen könnte? Wenn ARNDT fernerhin unter Bezug-
nahme auf die in diesem Zusammenhang oft angeführten Worte
SIMSONs'°° meint, der Hinweis auf den parlamentarischen Brauch
185 BISMARCK am 19. IV. 1871 im Reichstag; vgl. StenBer. I 298 r:
„Da — im Bundesrat — stimmt nicht der Freiherr v. FRIESEN, sondern
das Königreich Sachsen stimmt durch ihn.*
186 Im Reichstag am 14. V. 1875, StenBer. I 655: „Ich muß die Bemer-
kung machen, daß ich eine solche Aeußerung, wenn sie von einem Mit-
glied des Reichstags gegen ein anderes ausgesprochen worden wäre, mit
dem Ordnungsrufe begleitet haben würde.“ — „Der eigentlichen
Disziplin des Präsidenten und dem eigentlichen Ordnungsruf kann
meines Ermessens niemand unterliegen, der nicht an der Wahl des Präsi-
denten sich beteiligt hat oder doch hätte beteiligen können, d.h. nie-
mand, der nicht ein Mitglied des Hauses ist. Wenn in anderen volksver-
tretenden Versammlungen, wie der preußischen, Mitglieder der Regierung
zugleich Mitglieder der Volksvertretung sein können, so unterliegen sie,
wie ich annehme, dem ÖOrdnungsruf des Präsidenten, genau so, wie andre
Mitglieder.“ Wo das nicht der Fall sei, fährt Sımson fort, bliebe ihm, „um
die ihm gestellte und gegen jedermann durchzuführende Aufgabe der
Aufrechterhaltung der Ordnung zu lösen, nichts übrig, als erforderlichen-
falls denselben Gedanken in zwei verschiedenen Formen auszudrücken‘. —
Diese Worte enthalten manches Richtige. Angreifbar ist die Verweisung
auf die Wahl zum Präsidenten; nach SIMSOon wären demnach die Abge-
ordneten in den Staaten, in denen der Präsident von der Krone ernannt
wird, überhaupt keiner Gewalt unterworfen. — Noch heut nimmt man sich
SIMSON gern zum Muster. So erklärte in der Sitzung vom 22. VIII. 1912
in der bayrischen 2. Kammer der Vizepräsident FRAn&k: „Ich möchte Seine
Exzellenz ersuchen, dieses Wort (Verdächtigung) nicht weiter zu gebrau-