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sei „in der Sache weiter nichts als ein Ordnungsruf und habe in
der Sache ganz dieselbe Wirkung“ '?, so sind hierin doch wie-
der mehrere Unrichtigkeiten enthalten. Der ÖOrdnungsruf - ist,
worüber noch unten zu sprechen sein wird, nach dem Wortlaut
der Geschäftsordnungen die Verweisung auf die Ordnung, d.h.
nicht etwa auf die Geschäftsordnung, sondern auf die das innere
parlamentarische Leben regelnden Sätze, die ıhre Quelle haben
im geschriebenen Recht bzw. der Gewohnheit, also in der Ge-
schäftsordnung oder in der Observanz. Dem bloßen parlamen-
tarischen Brauch aber kommt nur die bekannte Bedeutung zu,
wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch die Verkehrssitte ($$ 151, 157,
242), im Handelsgesetzbuch die Usance ($$ 59, 345, 358, 380 II,
893 II, 394 I, 396 I, 2, 428) hat, und keine weitere, also niemals
die des Rechts. Somit ist die Verweisung auf den parlamenta-
rischen Brauch, d. h. die Bemerkung, es sei nicht Sitte, einen
bestimmten Ausdruck zu gebrauchen, etwas ganz anderes als die
Verweisung auf die parlamentarische Ordnung’. Wenn aber
der Regierungsvertreter gegen die Ordnung und nicht nur gegen
den Brauch verstößt, so hat der Präsident keine andere Wahl,
als die bereits von SIMSON (s. o. Note 186) gebrauchte Form an-
zuwenden. Und noch in einer Beziehung ist dem den ARNDTschen
Ausführungen zugrunde liegenden Gedanken, wenn auch
keineswegs seinen Worten, zuzustimmen. Die Kritik des
Präsidenten an dem Regierungsvertreter geht nämlich möglicher-
chen. Der Kriegsminister untersteht ja nicht meiner Korrektur, ich möchte
aber bemerken, daß ich einem Abgeordneten gegenüber dieses Wort als
nicht statthaft bezeichnet hätte“; vgl. Tägl. Rundschau am 23. VIII 1912
Morgenausg. Ebenso wie Sımson, Präsident Dr. KAemPpF im Reichstag am
20. V. 1914 gegen den preußischen Kriegsminister; vgl. Tägl. Rundschau
am 21. V. 1914 Beil. 2.
187 StaatsR. 151.
188 So auch PERELS 99 („die Bezeichnung einer Aeußerung als unparla-
mentarisch steht einem Ordnungsruf nicht gleich‘); auch PLATE N. 383 zu
8 64 GO. S. 200.