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Voraussetzung für die Erteilung des Ordnungsrufs ist Ver-
letzung der parlamentarischen Ordnung. Selten wird bestimmt,
wann die Verletzung für die Entschließung des Präsidenten kausal
sein muß, da er ja regelmäßig frei entscheiden soll. Doch finden
sich, für die aktiven Mitglieder wenigstens, an einigen Stellen
Beispiele dafür. Besonders reich daran war die Geschäftsordnung
des ungarischen Abgeordnetenhauses. Sie bestimmte im $ 221
III: „Si lorateur emploie quelque expression offensant les bon-
nes moeurs ou les convenances, ou incompatible parailleurs avec
la dignite de la Chambre, ou s’il excite & la haine d’une classe,
d’une nationalite ou d’une confession religieuse, ou siil commet
une offense grossiere envers un membre de la Chambre, le pre-
sident le rappelle ä l’ordre.* Diese Aufzählung kann ebenso-
wenig erschöpfend sein, wie die einiger deutscher Einzelstaaten*"‘,
welche als Verletzung der Ordnung besonders hervorheben:
„Störende Zeichen des Beifalls oder der Mißbilligung, Unter-
brechung eines Redners, Sprechen während der Sitzung ohne Er-
laubnis des Präsidenten, Angriff auf die Würde des Deutschen
Reichs, der Mitglieder des Bundesrats, des Reichstags oder be-
freundeter Regenten oder Regierungen, endlich unschickliche oder
beleidigende Aeußerungen jeder Art, sie mögen gerichtet sein,
gegen wen sie wollen“ °'5. Hiermit werden die typischen Ord-
nungswidrigkeiten hervorgehoben. Daneben findet sich das Ver-
213 Vgl. MoREAU I 537 für den alten $ 221 II, dem heut im wesent-
lichen $ 214 entspricht; die Erteilung des Ordnungsrufs selber steht heut
im $ 251 Il.
214 Gemeint sind Sachsen-Altenburg $ 52; Sachsen-Koburg-Gotha $ 79;
Braunschweig 8 57; Sachsen-Weiwar $ 29. Eine Erschöpfung ist überhaupt
nicht möglich.
215 Die Note 214 genannten Staaten stellen sich somit in erfreulichen
Gegensatz zu denjenigen, die Beleidigungen von Privatpersonen nicht mit
dem OR. gerügt wissen wollen. Letzteres ist leider der Fall im preußi-
schen AbgH. (zahlreiche Nachweise bei PLATE N. 11a zu $ 64 8. 195/6).
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXII. 3/4, 33