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welches in 24 Stunden berichten muß (II, 8 58C i. £.), eine lex
imperfecta. Hier wie ın den meisten übrigen Fällen wird jene
Verstärkung dadurch erreicht, daß die Kammer die Zensur ver-
hängt, meist auf Vorschlag des Präsidenten, in Oesterreich auf
Antrag des Beleidigten. Wie beim Ordnungsruf für den Präsi-
denten, besteht hier für die Kammer gewöhnlich kein Zwang zur
Rüge; nur in einem Fall ist es ihre — und zwar sogar ver-
fassungsmäßige — Pflieht einzuschreiten, nämlich in Württem-
berg ?°,
Die Frage nach dem Wesen der Rüge ist nach den verschie-
denen Ausgestaltungen, die sie erfahren hat, verschieden zu be-
antworten. Sie zeigt sich nur in den Wirkungen. Wo diese
fehlen, ist es kaum möglich, sie vom Ordnungsruf zu unterschei-
den. Die oldenburgische Geschäftsordnung versucht es aller-
dings dadurch, daß nach ihr zur Ordnung gerufen wird wegen
unparlamentarischer Aeußerungen oder unparlamentarischen Ver-
haltens ($ 97 I), und daß gerügt werden „Störungen in der Ver-
sammlung“. Solche sind aber sicher zugleich unparlamentarisches
Verhalten, wenn mit ihnen störende Unruhe gemeint sein soll.
Wo soll also die Grenze zu ziehen sein? Auch die Rechtsge-
schichte hilft hier nichts, da in älteren Bestimmungen, die vom
Verweis handeln, von diesem ohne jede Spezialisierung gespro-
chen wird°®. Noch unklarer wird die Sache da, wo die Miß-
billigung durch den Ruf zur Ordnung ausgesprochen wird (öster-
reichisches Abgeordnetenhaus $ 57 A). Man wird aber nach dem
Grundgedanken der Geschäftsordnungen immerhin einen Unter-
265 Seit dem Verfassungsgesetz vom 23. VI. 1874 Art. 9 (= VU. $ 185.
II); in Elsaß-Lothringen besteht der Zwang für den Präsidenten (vgl.
vorige Note).
266 Vgl. Husrich 407; Württemberg VU. alter $ 185 II (aufgehoben
durch Art. 10 Verfges. vom 12. VI. 1874); Sachsen-Koburg-Gotha StGG.
$ 85 1I (gilt noch); Sachsen-Meiningen VU. $ 99 (heut GO. $$ 21/2: dort
ist heut der Verweis nicht mehr enthalten, sondern statt seiner die Ver-
weisung auf die Ordnung, d. h. der Ordnungsruf).