Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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welches in 24 Stunden berichten muß (II, 8 58C i. £.), eine lex 
imperfecta. Hier wie ın den meisten übrigen Fällen wird jene 
Verstärkung dadurch erreicht, daß die Kammer die Zensur ver- 
hängt, meist auf Vorschlag des Präsidenten, in Oesterreich auf 
Antrag des Beleidigten. Wie beim Ordnungsruf für den Präsi- 
denten, besteht hier für die Kammer gewöhnlich kein Zwang zur 
Rüge; nur in einem Fall ist es ihre — und zwar sogar ver- 
fassungsmäßige — Pflieht einzuschreiten, nämlich in Württem- 
berg ?°, 
Die Frage nach dem Wesen der Rüge ist nach den verschie- 
denen Ausgestaltungen, die sie erfahren hat, verschieden zu be- 
antworten. Sie zeigt sich nur in den Wirkungen. Wo diese 
fehlen, ist es kaum möglich, sie vom Ordnungsruf zu unterschei- 
den. Die oldenburgische Geschäftsordnung versucht es aller- 
dings dadurch, daß nach ihr zur Ordnung gerufen wird wegen 
unparlamentarischer Aeußerungen oder unparlamentarischen Ver- 
haltens ($ 97 I), und daß gerügt werden „Störungen in der Ver- 
sammlung“. Solche sind aber sicher zugleich unparlamentarisches 
Verhalten, wenn mit ihnen störende Unruhe gemeint sein soll. 
Wo soll also die Grenze zu ziehen sein? Auch die Rechtsge- 
schichte hilft hier nichts, da in älteren Bestimmungen, die vom 
Verweis handeln, von diesem ohne jede Spezialisierung gespro- 
chen wird°®. Noch unklarer wird die Sache da, wo die Miß- 
billigung durch den Ruf zur Ordnung ausgesprochen wird (öster- 
reichisches Abgeordnetenhaus $ 57 A). Man wird aber nach dem 
Grundgedanken der Geschäftsordnungen immerhin einen Unter- 
  
265 Seit dem Verfassungsgesetz vom 23. VI. 1874 Art. 9 (= VU. $ 185. 
II); in Elsaß-Lothringen besteht der Zwang für den Präsidenten (vgl. 
vorige Note). 
266 Vgl. Husrich 407; Württemberg VU. alter $ 185 II (aufgehoben 
durch Art. 10 Verfges. vom 12. VI. 1874); Sachsen-Koburg-Gotha StGG. 
$ 85 1I (gilt noch); Sachsen-Meiningen VU. $ 99 (heut GO. $$ 21/2: dort 
ist heut der Verweis nicht mehr enthalten, sondern statt seiner die Ver- 
weisung auf die Ordnung, d. h. der Ordnungsruf).
	        
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