— 54 —
schied feststellen können: gemeinsam ist beiden die Feststellung,
„daß die parlamentarische Ordnung gebrochen sei“. Die Rüge
ist aber im Gegensatz zum ÖOrdnungsruf notwendig verbunden
„mit der solennen Erklärung der Mißbilligung“?°. Und das ist
freilich häufig die Praxis der Parlamente, welche die Rüge nicht
kennen, welche also das Mittel des Ordnungsrufs zum Ausdruck
der Mißbilligung benutzen, was aber, wie gesagt, zur Klärung
des Begriffs nicht beiträgt.
Klarer wird das Wesen der Mißbilligung, wenn sie mit be-
sonderen Wirkungen verknüpft ist. Sie sind Veröffentlichung,
Verlust der Diäten, Ausschließung aus der Sitzung. Die Publika-
tion ist, da wo sie auf Kosten des Gerügten geschieht wie in
Frankreich, ein Rechtsnachteil, ein Uebel, welches in ein Gut des
Verletzers, und zwar genauer in seine Freiheit und sein Vermögen
eingreift, mithin Strafe, und da sie den Parlamentarier qua Par-
lamentarier trifft, parlamentarische Disziplinarstrafe; wo der Kosten-
punkt anders geregelt ist, ein Eingriff nur in die Freiheit — das
wird niemand leugnen — und somit ebenfalls Strafe, also hier
Disziplinarstrafe.
Kritisch betrachtet besitzt dieses Disziplinarmittel einen höchst
zweifelhaften Wert. Denn es ist unlogischh im Wahlkreis
des Abgeordneten die Bekanntmachung erfolgen zu lassen, da mit
dem Wahlakt jedes Band zwischen jenem und den Wählern, wie
bereits hervorgehoben, zerrissen sein soll. Sehr weise ist daher
die erwähnte Vorschrift des amerikanischen Senats, nach der ein
Aushang der gerügten Worte nur im Senat selbst erfolgt „zur
Erbauung des Senats“.
Ferner dürfte die Bekanntmachung auch sehr unzweckmäßig
sein, wenigstens in den Fällen, in denen dadurch ein „Märtyrer-
267 So richtig HUBRICH 414; ähnlich für das Beamtenrecht LABAnD I
489; HARSEIM, Art. „Disziplin in v. STENGELs Wörterbuch Ba. I, 1. Aufl.
1890 S. 269/70.