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sondern durch den Kaiser publiziert. Die gesetzgebenden Organe
handeln zwar im Einverständnis miteinander und geben sich gegen-
seitig Nachricht von ihren Entschließungen, weil ohne diese Mit-
teilungen eine gedeihliche Funktion der Gesetzgebung nicht mög-
lich wäre, die Mitteilung erfolgt aber ebenso wie Beschlußfassung
selbst nicht im Interesse des andern gesetzgebenden Körpers,
sondern die Beschlußfassung des lteichstags erfolgt im Namen
des Reichs.
Erwähnenswert ist ein weiterer Fall. Das Sanktionsrecht
des Monarchen wurde früher häufig mit dem Namen „Veto“ be-
zeichnet. Daß dieser Ausdruck ebenso, wie die Bezeichnung
„Zustimmung“ für die Tätigkeit des Reichstags. nicht treffend
ist, leuchtet ein. Ein Organ kann nicht vom Staate aufgestellt
sein, um das Zustandekommen eines Gesetzes zu verhindern. Der
bezeichnete Ausdruck ist aber aus einer Staatsauffassung herzu-
leiten, die gleichfalls aufgegeben ist, nämlich der Auffassung,
daß Gesetzgebung und Exekutive getrennte Gewalten seien. Das
Veto wird hier als Recht des exekutiven Organs aufgefaßt, das
Zrastandekommen von Gesetzen zu verhindern. mit denen es nicht
einverstanden ist.
Gegen die bisherigen Ausführungen wird geltend gemacht
werden, daß fast alle deutschen Verfassungen den Monarchen
als den „Träger der Staatsgewalt“ bezeichnen, der
alle Rechte in sieh vereinigt. Die gleiche Auffas-
sung herrscht bezüglich des Bundesrates. Hieraus wird anschei-
nend mit Recht gefolgert, daß er auch der eigentliche Gesetz-
geber sein müsse. Diese Wendungen sind indessen unter dem-
selben Gesichtspunkt zu betrachten. wie die Versicherung der
Verfassung der Vereinigten Staaten, daß das Volk der Souverän
sei. Diese Bezeichnungen charakterisieren den politischen Ür-
sprung der betr. Verfassungen; sie bezeichnen die treibenden
Kräfte, die zur Bildung eines Staates oder eines bestimmten Ver-
fassungszustandes desselben geführt haben. Sie entbehren auch