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Im übrigen hat man, in fremden wie in deutschen Einzel-
staaten, nicht daran gedacht, an der Befugnis des Parlaments,
ein Mitglied, dessen Anwesenheit die Würde des Hauses schädigt,
aus der Sitzung zu entfernen bzw. temporär oder auch gänzlich
auszuschließen, Zweifel zu hegen. Nur für den deutschen Reichstag
und für das preußische Abgeordnetenhaus wurden in der Literatur,
in den Sitzungen selbst und vor allem in der Presse juristische
und unjuristische Gründe gegen die Zulässigkeit der Entfernung
geltend gemacht. Von den juristischen sind drei zu nennen: die
Ausschließung sei unstatthaft 1. weil sie ein Eingriff in das „Recht
des Abgeordneten auf Teilnahme an den Sitzungen“ sei; 2. weil
dem Parlament — regelmäßig — die Exekutivgewalt fehle; 3. weil
sie gegen die $S 105, 106 StGB. verstoße; und von den unjuri-
stischen zwei: 1. weil sie gegen den Wahlkreis wirke; 2. weil
sie die Würde des Hauses verletze °’®.
Daß der deutsche Reichstag bzw. das preußische Haus der
Abgeordneten zur Entfernung eines Mitglieds befugt sind, ergibt
sich aus dem Begriff der Disziplin. Als diesen hatten wir er-
225 Stand der Meinungen: Für die Zulässigkeit der Ausschließung
HUBRIcCH 456/9; LABAnD I 341 N. 1: Arnprt RV. 191; JELLINEK Syst. 172;
HAMM DJZ. 1912 649 ff.; GOLDSCHMIDT JW. 1912 562 ff.; BORNHAK 1451,
429; v. BAR im Recht 1912 303 ff.;, BınpınG, Lehrb. II, 2 821; Ders., Die
Notwehr der Parlamente usw. 26ff.; Landgericht I in Berlin am 28. IX.
1912, vgl. Tägl. Rundschau vom 29. IX. 1912 Beil. 2; Reichsgericht durch
Erkenntnis in derselben Sache vom 6. V. 1913 (2. Strafsenat, Bd. 47 270 #f.);
HATScHEK DJZ. 1910 559 ff.; bereits Sıeyks, Polit. Schriften I 252 Nr. 3
der PolVO. — Gegen die Zulässigkeit: v. SEYDEL AnnDR, 1880 415; Ders.
Komm. 209; Stranz DJZ. 1910 574; WEIGEL 77fi.; MaAnsAckK 82/3; v.,
GERBER 139 N. 5; v. RÖNNE-ZoRN 1 337 Text und N. 5; SEIDLER 96 i. f.;
früher Bınpine, Handb. I 673 (jetzt Notwehr 27 Nr. 37 ausdrücklich be-
richtigt); K. 8. ZACHARIAE, ArchzivPr. 17 211; Benpıx JW. 1912
665 f.; HEINEMANN DJZ. 1913 856ff.; WERTHAUER JW. 1912 834 ff. in
einem staatsrechtlich fast völlig verfehlten Aufsatz; HOoRSTMANnNn, Monats-
schrift f. Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform 1913 153 ff., fast der
einzige, dessen Argumente schwerer wiegen, wenn sie auch nicht über-
zeugen können.