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halten, das Ansehen des Parlaments. Die entgegengesetzte An-
sicht, die auch von Juristen vertreten wird?”, kann demnach als
reine Willensentscheidung nicht gebilligt werden.
II. Verletzungen der Redeordnung.
$ 13. Begriff der Redeordnung.
Unter Redeordnung ist nicht etwa die Reihenfolge zu ver-
stehen, nach der die einzelnen Reden gehalten werden, sondern in
Anlehnung an die oben gegebene Definition von der parlamen-
tarischen Ordnung, die Gesamtheit der Normen, deren Befolgung
als Vorbedingung einer sachgemäßen Behandlung des Gegenstands
der Verhandlung gilt. Die Verstöße dagegen können Abschwei-
fungen vom Thema und Ordnungswidrigkeiten sein. Letztere
finden sich daher in den Geschäftsordnungen auch häufig unter
dem Rubrum „Redeordnung“. Logisch aber kann, wenn der Un-
terschied zwischen der Verletzung der Redeordnung und der der
parlamentarischen Ordnung nicht verwirrt werden soll, diese Le-
galordnung nicht gebilligt werden. Beide verhalten sich zuein-
ander wie das Besondere zum Allgemeinen. Denn die Redeord-
nung ist gegenüber dem das gesamte innerparlamentarische Leben
umfassenden Begriff der parlamentarischen Ordnung der engere
Begriff”. Daher ist für einen aktiven Abgeordneten ein Verstoß
ersterer Art immer eine Abschweifung vom Thema, sei es, daß
s76 StRanz DJZ. 1910 574; v. Bar im Recht 1912 306. Wie hier auch
Graf Tısza, Pester Lloyd v. 18. VII. 1912 Morgenbl. S. 6 Sp. 1. Die bis-
herige Entwicklung hat dem Grafen nicht Recht gegeben, der die Würde
des Parlaments, „das bis zur letzten Stufe der Geringschätzung, der Miß-
achtung herabgesunken war“, mit einem Schlag wiederhergestellt hatte,
da Mitte September 1912, im Frühjahr und November 1913 die sinnlose
Obstruktion sie von neuem aufs heftigste angegriffen hat.
377 Dieser fällt somit unter den der parlamentarischen Ordnung, ist ihm
gegenüber aber immerhin in gewissem Sinn selbständig, so daß die Ver-
stöße gegen beide, wie es hier geschieht, nebeneinander behandelt werden
dürfen. Vgl. zum Text auch Perkus 95 N. 532.