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kommenden Mitteln und Befugnissen. Der Präsident setzt die
Tagesordnung fest, erteilt das Wort, eröffnet und schließt die
Sitzung, er verhängt Disziplinarstrafen oder veranlaßt das Parla-
ment dies zu tun. Die rechtliche Beurteilung dieser Kompeten-
zen scheidet sich demnach in zwei Gruppen. Die eine umfaßt
nur verwaltende, die andere aber richterliche Funktionen. Für
beide gilt daher dasselbe wie für Verwaltung und Recht-
sprechung ®’?®,
Die Rechtspreehung ist eine staatliche Tätigkeit zum Schutz
des gesamten Rechts 2°. Ihr vornehmstes Mittel ist das Urteil.
Dieses ist ein „Schluß, mit welchem ausgesprochen wird, daß
ein konkreter Tatbestand den Anwendungsfall einer abstrakten
Rechtsnorm bildet“ 2%, und zwar ein Schluß mit befehlendem
Inhalt. Die Funktion besteht also vor Erlaß jenes Befehls
in der „Subsumtion eines gegebenen Tatbestandes unter das geltende
Recht“ 2%. Das ist eine rein logische, vom Willen unabhängige
Tätigkeit; der Richter ist dabei dem geltenden Recht unterworfen
(4VG. $ 1), nur bei der Beurteilung des Tatbestands ist er frei 2%,
Unter Urteilen ist demnach zweierlei zu verstehen: 1. im
Sinn der Logik ist es „die Vorstellung der Einheit des Bewußt-
seins verschiedener Vorstellungen“ (KAnT, Logik II 817); 2. im
399° Aus der neuesten Literatur sei hier auf FRIEDR. STEIN Grenzen
usw. (s. o. Note 339) verwiesen, besonders 8. 1/5.
#00 JELLINER allgStL. 773.
401 BERNATZIK, Rechtsprechung und materielle Rechtskraft 1886 (zit.
BERNATZIK) 8.
402 Auch das Feststellungsurteil gehört hierher; vgl. LABAnD III 352.
408 Ders. II 178.
#4 Wo das Gesetz Lücken hat, ist eine vom Willen unabhängige Tä-
tigkeit nur noch schwer vorstellbar. (Man denke nur an den bei jeder
Sonderbestimmung auftretenden Streit, ob Analogie oder argumentum
a contrario geboten ist. Das letzte ist freilich heut noch schulmäßig herr-
schend, allerdings nicht zum Vorteil der Weiterentwicklung.) Hier beginnt
das Gebiet der Willensentscheidungen, eine Tatsache, die auch bereits vor
der Freirechtsschule bekannt war.
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