— 95892 —
der deutschen Verwaltungsgerichte (8. 261-506). Preußen
widmet er die Seiten 261—318, dann kommt Württeınberg, sein Heimat-
land, an die Reihe (S. 319—368), dann Bayern (S. 369—413), dann Sachsen
(S. 414—460), dann Baden (S. 461—488), dann die übrigen Bundesstaaten
(S. 489—506). In Württemberg fällt die geringe Tätigkeit des Verwaltungs-
gerichtshofs in Polizeisachen auf. Verf. erklärt die Erscheinung mit dem
demokratischen Charakter des württembergischen Volkes und mit der
Tatsache, daß die Ortspolizei in Württemberg zum eigenen Wirkungskreis
der Gemeinden gehört (S. 126, 364 ff.). Interessant ist auch die Darstellung
der widersprechenden Rechtsprechung über die rechtliche Stellung des
Nachbarn im Baupolizeirecht. Hat der Nachbar ein subjektives Recht auf
Einhaltung der baupolizeilichen Vorschriften bei Genehmigung des Nach-
barbaus? Preußen (S. 303 f.), Württemberg (S. 346 ff.), Baden (S. 478) ver-
neinen; für das subjektive Recht des Nachbarn entscheiden sich Sachsen
(S. 439 ff.) und Braunschweig (S. 497), und dieser Rechtsprechung schließt
sich Verf. an (8.44 ff., 52). Die Frage ist in der Tat nicht einfach. Man wird
zunächst fragen müssen, ob ein Gesetz (Sachsen) die maßgebenden Vor-
schriften enthält odereine Polizeiverordnung (Preußen): ein Gesetz
kann subjektive Rechte begründen, einer PolVO. steht diese Macht nicht ohne
weiteres zu. Ferner: wenn das Gesetz wirklich dem Nachbarn ein subjek-
tives Recht auf Einhaltung eines gewissen Grenzabstands gewährt hat,
handelt es sich da nicht einfach um eine privatrechtliche Regelung des
Nachbarrechts nach Art. 124 EG. z. BGB.? Dies ist zweifellos der Rechts-
zustand in Baden (Art. 18 ff. Ausf.-Ges. z. BGB. v. 17. 6. 1899), und es
ließe sich ganz allgemein die Frage erheben, ob nicht überhaupt die
privatrechtliche Auffassung hier das Gegebene wäre: denn der Nachbar
hat ein Interesse allein daran, daß der Baulustige nicht baut, während ihn
die Baugenehmigung nichts angeht. Nur dann hätte er ein Interesse an
der Nichtgenehmigung, wenn die Genehmigung ibm die Unterlassungsklage
gegen den Nachbarn entzöge wie dies die Wirkung der Gewerbegenehmigung
nach $ 26 GewO. ist. Nun bleiben nach Art. 125 EG. z. BGB. unberührt
nur „die landesgesetzlichen Vorschriften, welche die Vorschrift des $ 26
der Gewerbeordnung auf Eisenbahn-, Dampfschiffahrts- und ähnliche Ver-
kehrsunternehmungen erstrecken‘. Die Baugenehmigung hat also die ge-
schilderte Wirkung nicht. Die Gewährung der verwaltungsgerichtlichen
Anfechtungsklage an den Nachbarn unterliegt daher nicht unwesentlichen
Bedenken. Ebenso bedeutet es wohl eine Vermengung des privaten Rechts
mit dem öffentlichen, wenn Verf. im Anschluß an eine bloß gelegentliche
Bemerkung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts einen Anspruch des
einzelnen auf polizeiliches Einschreiten gegen nächtliche Ruhestörungen
anerkennen will (S. 304 N. 69, S. 445). Der einzelne hat allerdings einen
Anspruch auf staatlichen Schutz gegen Ruhestörungen; aber der gesetz-
liche Weg ist hier Einreichung der Besitzstörungsklage bei dem ordent-