—_— 584 —
G@. MEYER und andere den gleichen Einwand erhoben haben wie BÜHLER,
daß es sich hier aber in Wahrheit bloß um einen terminologischen Streit
handelt. Dürfen ist für G. JELLINEK nur die Freiheit, die in die Rechts-
sphäre eines andern eingreift; die Gewerbefreiheit und alle andern öffent-
lich-rechtlichen Freiheiten nennt G. J. rechtlich-irrelevante Handlungen. —
An andrer Stelle (S. 48 N. 66) klagt BünLEr über angebliche Widersprüche
im System G. JELLINEKs. S. 101 des Systems heißt es: „Trotzdem also
die richterliche Zuerkennung eines Rechtsmittels nicht das absolute Kri-
terıum für das Dasein eines individuellen Anspruches bildet, .. .“ und
S. 106 des Systems, scheinbar damit unvereinbar: „Denn niemals kann ein
durch Rechtsmittel zu verfolgender Anspruch bloß Reflexrecht sein.“ Diese
Stellen darf man aber nicht aus dem Zusammenhang reißen. Die erste
Stelle ist nur zu verstehen in Verbindung mit dem unmittelbar Vorher-
gehenden. Dort wird (S. 97 ff.) die Rechtsprechung der schweizerischen,
österreichischen und amerikanischen Gerichte beanstandet, die dem Unter-
tan eine Klage auch in Fällen gewähren, in denen das Gesetz ein subjek-
tives Recht des Untertanen nicht hat schaffen wollen. Die gesetzwidrige
richterliche Zuerkennung eines Rechtsmittels ist also S. 101 gemeint, und
damit verträgt sich doch selbstverständlich die Stelle S. 106, wo vom
gesetzmäßigen Rechtsmittel die Rede ist. — Ueber das Wesen des
politischen Wahlrechts bestehen Meinungsverschiedenheiten. LABAND sieht
in ihm nur den Reflex objektiven Rechts und bekämpft daher (Staats-
recht I® S. 331 N. 1) GEORG JELLINEK, ohne ihn richtig zu zitieren
(„Einrichtung“ statt „Ernennung‘) und zu würdigen. BÜHLER (S. 250
N. 366), der andrer Ansicht ist als LABAND, übernimmt nichtsdestoweniger
die LaAsAnDsche Kritik samt dem Ausrufezeichen LABANDs und hält es
nicht für nötig, selbständig über die Frage nachzudenken. Dabei ist der
Gedankengang doch so einfach. G. JELLINER sagt S. 160: „Das Subjekt
dieses Rechtes [nämlich des Wahlrechtes] wie das jeder staatlichen Er-
nennung ist ausschließlich der Staat und nur Reflexwirkung ist es, wenn
der einzelne als solcher ein derartiges Recht zu besitzen scheint.“ Und
S. 161: Dennoch hat der einzelne ein subjektives Recht auf seine „Aner-
kennung . . in seiner Eigenschaft als Wähler, als Träger eines aktiven
Status.“ Mit andern Worten: Die Wählerschaft in ihrer Gesamtheit ist
Staatsorgan, die Wahl also Staatswille, Subjekt des Wahlrechts der Staat,
nicht der einzelne. Der einzelne hat aber ein Recht darauf, Mitglied der
Wählerschaft zu sein. Es verhält sich ähnlich wie mit dem König. Wenn
der König Keinen Richter ernennt, so handelt das Rechtssubjekt Staat und
nicht das Rechtssubjekt K; aber das Rechtssubjekt K ‚hat Anspruch darauf,
König zu sein; es hat ein Recht auf Organschaft. Diese Auffassung ist
auch nicht etwa bloß eine theoretische Spielerei, sondern kann leicht
praktisch werden. Ist der Wahlakt Staatsakt, so unterliegt er den Regeln
des fehlerhaften Staatsakts. Die teilweise ungültige Verhältniswahl wäre