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gebers mit dieser Bestimmung die Ermessenskontrolle ausgeschaltet wer-
den sollte (S. 308 ff.), daß es insbesondere ein bloßes Redaktionsversehen
war, wenn die Verletzung des Klägers „in seinen Rechten® nur in Ziff. 1
genannt wurde, und nicht auch in Ziff. 2 (S. 310, 315, 317, 217). Auch war zu
bedenken, daß die gesetzliche Beschränkung der Anfechtungsklage auf „nur“
zwei Anfechtungsgründe allen Sinn verliert, wenn man dem OVG. außer
der Rechts- und Tatsachenkontrolle noch die Ermessenskontrolle einräumt,
Dennoch erkennt Verfasser im folgenden, wenn auch, von einer guten
Stimme gewarnt, nur zögernd (S. 310f., 314, 487, 503, 515 f.), die Befugnis
des preuß. OVG. zur Ermessenskontrolle an. Warum eigentlich, ist ganz und
gar nicht ersichtlich. Jene unglückselige Auffassung vom späten Aufkom-
men des Prinzips der gesetzmäßigen Verwaltung spielt hier herein (8. 314),
dann die mißverstandene Rechtsprechung des OVG., das angeblich Er-
messenskontrolle geübt haben soll (S. 311ff.; vgl. dazu unten III 4, IV 3),
endlich der angebliche GneEıstsche Gedanke von der Ermessenskontrolle
durch die Verwaltungsgerichte (S. 312, 314, 318). Da BÜHLER auch sonst
noch öfters von GNEIST spricht, ohne dessen Ansichten wörtlich zu belegen
(S. 165, 216, 264 ff., 270 ff., 283, 512), so sei hier kurz untersucht, welche Be-
wandtnis es mit GNEISTs Auffassung von der Aufgabe der Verwaltungsge-
richtsbarkeit hat,
Am schärfsten hat GNkIST seine Ansicht zusammengefaßt in den Ver-
handlungen des 12. Deutschen Juristentags III 1875 S. 241: „Der deutsche
Juristentag wolle es als seine Ueberzeugung aussprechen: Es bedarf in
Deutschland zur Aufrecliterhaltung des Öffentlichen Rechts neben den
ordentlichen Gerichten noch eines ergänzenden Systems der Verwaltungs-
gerichtsbarkeit für Fälle einer rechtswidrigen oder ungerechten
Ausübung der Staatshoheitsrechte.*“ Damit hat er das Gebiet „des freien
Ermessens der Verwaltung nach Gründen der Zweckmäßigkeit und des
öffentlichen Wohls® von der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeschieden.
Denn GNEIST unterscheidet drei Gebiete: die „Formen und Schranken“
oder die „Grenzbestimmungen‘, dann das eben erwähnte Gebiet des freien
Ermessens, endlich, als zwischen diesen beiden Gebieten liegend, „ein
drittes Gebiet einer Behördentätigkeit, die sich zwar formell in gesetz-
lichen Schranken bewegt, aber durch parteiischeMa&ßbestimmung
(iniquitas) den Sinn der Verwaltungsgesetze dem einen zu Lieb, dem andern
zu Leid verkehrt“ (Rechtsstaat 2. A. 1879 S. 272, 262, Verhandlungen S. 237).
Für dieses dritte Gebiet hauptsächlich will er die Verwaltungsgerichtsbar-
keit eingeführt wissen, daneben noch für das erste Gebiet, die „Formen
und Schranken“, während er die Ermessensfrage den Verwaltungsgerichten
nicht zuweist. Es kann sich also nur fragen, ob die „parteiische Ma&-
bestimmung“, die „ungerechte Ausübung der Staatshoheitsrechte“ wirklich
ein drittes Gebiet bildet, oder ob es sich hier nicht vielmehr um eine be-
sondere Art von Rechtswidrigkeiten handelt. Dem ist aber wirklich so.