Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 32 (32)

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Unwesen treibt. Ich habe mich hierüber ausführlich anderweit geäußert: 
Gesetz, Gesetzesanwendung 8. 76 ff. Verfasser hat jene Ausführungen augen- 
scheinlich nicht gelesen. Die Folge davon ist, daß er die Rechtsprechung 
über diesen Punkt in der eigentümlichsten Weise entstellt hat. 
Nach dem preußischen Polizeiverwaltungsgesetz vom 11. 3. 50 $ 17 
haben die Gerichte „nicht die Notwendigkeit undZweckmäßig- 
keit, sondern nur die gesetzliche Gültigkeit“ von Polizeiverordnungen „in 
Erwägung zu ziehen*. Damit stimmen fast wörtlich Gesetze Sachsens, 
Bayerns, teilweise Württembergs, Badens und einer Reihe andrer Staaten 
überein (Gesetz usw. S. 3f.).. Ebenso macht das preußische Gesetz vom 
11. Mai 1842 S$ I bei polizeilichen Verfügungen die Unterscheidung zwi- 
schen „Gesetzmäßigkeit, Notwendigkeit oder Zweckmäßig- 
keit“. Diese Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ist nichts anderes als 
das Gebiet des freien Ermessens (Gesetz, Gesetzesanwendung usw. 
S.88f.). Da aber die Verwaltungsgerichte das freie Ermessen nicht nach- 
prüfen dürfen, so ist sowohl bei Polizeiverfügungen als auch bei Polizei- 
verordnungen die Notwendigkeits- und Zweckmäßigkeits- 
frage unüberprüfbar, d. h. die Gerichte und Verwaltungsgerichte dürfen 
sich kein Urteil über den inneren Wert oder Unwert des Polizeibefehls 
bilden, sofern er sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen hält. 
Um dies näher zu verstehen, muß man sich klar sein über die Grenzen 
der Polizeigewalt. Aufgabe der Polizei ist das Einschreiten gegen Ord- 
nungswidrigkeiten. Aber die Ordnungswidrigkeit muß erst einen gewissen 
Grad erreicht haben, ehe die Polizei einschreiten darf, und es gibt einen 
Punkt, wo die Polizei unbedingt einschreiten muß. Ich nehme zur Ver- 
deutlichung des Folgenden an, daß das polizeiliche Dürfen bei 
Punkt 1 beginnt und das polizeiliche Müssen bei Punkt 30. Zwi- 
schen diesen Punkten bewegt sich die Polizei frei. Bei einer Ordnungs- 
widrigkeit 17 kann also die Polizei untätig bleiben, sie kann aber auch 
anordnen, daß die Ordnungswidrigkeit auf Punkt 16, 15 usw., oder endlich 
auf Punkt 0 herabgemindert werde. Zwischen diesen Möglichkeiten steht 
ihr die pflichtmäßig freie Wahl zu. Je nachdem sie mehr an das öffent- 
liche Interesse oder an die Freiheit des Untertanen denkt, wird sie sich für 
die einschneidendere oder für die mildere Maßnahme entscheiden, und diese 
Erwägungen über den inneren Wert dieser oder jener Maßregel sind es, die 
das Gesetz als Frage der Notwendigkeit undZweckmäßigkeit 
bezeichnet. 
Davon verschieden sind zwei ganz andre Fragen, nämlich die Frage, 
ob die angeordnete Maßregel überhaupt geeignet ist, die Ordnungs- 
widrigkeit 17 herabzumindern, und die Frage, ob die Maßregel nicht ein- 
schneidender ist, als es zur Erreichung des Punktes 0 nötig ist. Ist die 
angeordnete Maßregel nach Erfahrungssätzen gar nicht fähig, die Ordnungs- 
widrigkeit 17 auch nur auf 16 zu bringen, so ist sie keine zur Beseitigung
	        
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