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Herrschaft durch eigene Tat, verleiht er sie sich selbst; hier: übt er sie’
in eigenem Namen aus? Es kann jemand im eigenen Namen herrschen
und doch durch andere bestellt sein. Der König des alten Reiches wurde
durch die Kurfürsten gewählt, aber er war nicht ihr Vertreter. Der Papst
wird von den Kardinälen berufen, aber er regiert deshalb nicht in ihrem
Namen. Er herrscht aus eigenem Recht, wenn dies bedeutet: im eigenen
Namen, aber er herrscht nicht aus eigenem Recht im Sinne von eigener
Ernennung. Ebenso ist es beim konstitutionellen Könige. Er wird Herr-
scher durch die Verfassung, aber nach dieser Verfassung herrscht er
nicht im Namen seiner Untertanen, kann also nicht von ihnen abgesetzt
werden. Klar wird die Sache, wenn man die Ausdrücke Herrschaft im
eigenen Namen und aus eigenem Recht scharf trennt. Der verfassungs-
mäßige Monarch regiert nicht im Namen des Volkes, aber er ist auch nicht
die eigene Quelle seiner Herrschaft. Dies ist die Verfassung. Freiherr
v. HERTLING hat die beiden Bedeutungen von eigenem Recht (im eigenen
Namen und aus eigener Quelle) nicht auseinandergehalten, wenn er am
29. November 1913 im bayerischen Landtage erklärte: der bisherige Re-
gent ist König geworden nicht auf Grund des neuen vereinbarten Ver-
fassungsgesetzes, sondern auf Grund der Bestimmungen der erblichen Mon-
archie, welche die Grundlage der bayerischen Verfassung ist. Er ist es
geworden auf Grund dieses Verfassungsgesetzes, aber, obwohl dieses Gesetz
unter Mitwirkung der Volksvertretung zustande kam, herrscht er doch in
keiner Richtung im Namen, aus Auftrag des Volkes, denn Grundsatz auch
dieses neuen Gesetzes ist: der König regiert nur in eigenem Namen. Zur
Verwirrung hat auch beigetragen, daß in der Erörterung die Frage des
göttlichen Rechtes hereingezogen wurde. Dieses ist etwas anderes als
Staatsrecht. Es ist nicht Rechtssatz, sondern Glaubenssatz. Vom Stand-
punkte des göttlichen Rechts beantwortet sich die Frage nach dem Rechts-
grund natürlich anders. Darnach regiert er auch aus eigenem Recht, d.h.
nicht auf Grund eines Menschenwerkes, nicht auf Grund der Verfassung.
Allein daraus darf nicht gefolgert werden, daß es staatsrechtlich ebenso ist.
Religiöse und staatsrechtliche Auffassung sind ganz verschiedene Sachen.
Was nach göttlichem Recht, d. h. nach Religionslehre Quelle der Herr-
schaft ist, ist es darum nicht nach menschlichem Recht, d.h. nach Staats-
recht. Der Religion zufolge kommt alle Obrigkeit von Gott, dem Staats-
recht zufolge kommt sie aus der Verfassung.
Der andere Punkt aus dem Regentschaftsgesetz, den ich berühren
will, betrifft den Regierungsantritt bei der außerordentlichen Beendigung
der Regentschaft. Keinem Zweifel unterliegt, daß der neue Herrscher in
dem Augenblicke König wird, in dem der bisherige Regent die Regentschaft
für beendigt erklärt. Allein deswegen braucht der neue Herr nicht sofort
die Regierung anzutreten. Er kann es tun, aber er muß es nicht. Es muß
ihm gestattet sein, zu warten, bis das Parlament die dauernde Regierungs-
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