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mann sofort wußte, wen er zu verklagen hatte. vergleiche man
die heutigen geradezu chaotischen Zustände im deutschen Reiche
und den größeren Einzelstaaten. Selbst der geschulte Jurist, er
sei denn ausgebildeter Verwaltungsbeamter, gerät oft in Verlegen-
heit, gegen wen, als Vertreter des Fiskus, er seine Klage zu
richten habe. Diese Ungewißheit ist um so mißlicher als nach
der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts (vgl. RGE. in ZS.
Band 67, 8 76) und der in der Wissenschaft durchaus herrschenden
Ansicht die gegen einen falschen Fiskusvertreter erhobene Klage
wegen mangelnder Passivlegitimation a limine abgewiesen werden
muß. Die kurhessischen Rechtszustände können wie auch ander-
wärts so auch hier als vorbildlich für uns gelten. In seiner tref-
fenden Ausdrucksweise sagt BÄHR: „Das frühere Kurhessen“
S. 45 mit Fug „Dadurch wurde der schlimme Zustand abge-
schnitten, wonach der, welcher gegen den Staat oder die Landes-
herrschaft eine Klage erheben will. erst mühsam die Behörde
aufsuchen muß, gegen die er seine Klage zu richten habe, wobei
es ihm dann leicht begegnen kann, daß er von Pontius zu Pila-
tus geschickt wird und darüber vielleicht sein Recht einbüßt.“
Doch wir sind der geschichtlichen Entwicklung vorausgeeilt,
um in unserer Darstellung das so wichtige grundlegende Ver-
hältnis zwischen Justiz und Verwaltung in Kurhessen klarzu-
legen. Auf die teilweise verwirklichten HASSENPFLUGschen Be-
strebungen, die ordentliehen Gerichte auf die Rechtsprechung in
reinen privatrechtlichen Streitigkeiten zu beschränken und auf
Errichtung eines Kompetenzkonfliktsgeriehtshofes — Ideen die
deutlich durch JULIUS STAHLs Lehre hervorgerufen oder doch
wenigstens beeinflußt sind — während der Reaktionsperiode der
50er Jahre, sei hier nicht eingegangen. Zufolge der Wiederher-
stellung der alten Verfassung vom 5. Januar 1831 auf Preußens
Betreiben, durch landesherrliche Verkündigung vom 21. Juni 1862
verloren sie jede Bedeutung. Ihre nur teilweise Verwirklichung
war lediglich eine vorübergehende Erscheinung. Nach dieser