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den Vorständen der obergeordneten Dienstbehörden, den Direktoren
oder Präsidenten, sondern von dem Kollegium als solchem ausge-
übt. Der Beamte war also längst nicht in dem Maße dem Wohl-
wollen des Vorgesetzten anvertraut, wie er es heute nach unserem
modernen konstitutionellen Staatsrechte ist. Dabei berücksiehtigte
nıan noch, daß das Vorschlagsrecht zur Besetzung erledigter Be-
amtenstellen stets von der betreffenden Oberbehörde und nicht
ihrem Präsidenten ausging. Mit allen auf den Ehrgeiz des Be-
amten gerichteten Reizmitteln war man sehr sparsam. „Die Titel
waren einfach und meistens nur einer Bezeichnung der Dienststelle
entnommen. Eine besondere Verleihung von solchen war sehr
selten. Man erwartete von jedem Beaiten, daß er auch ohne das
seine Pflicht tun werde. .. . Das Wort „Streber“ war bis zum
Jahre 1866 in Kurhessen ganz unbekannt. Ohne Zweifel gab es
auch hier ehrgeizige Menschen. Aber sie durften nicht wagen,
sich als solche aufzuspielen. Sobald der Kurfürst Absicht merkte,
war er verstimmt. Es war auch durchaus unüblich, sich um höhere
Stellen zu melden. Man würde das für eine unbegreifliche An-
maßung gehalten haben. Jeder wartete ruhig ab. ob er befördert
werde* (BÄHR a. a. O.. 8. 39).
Protektionswirtschaft war gänzlich unbekannt, auch der Adel
als solcher wurde im Heere wie in der Verwaltung in keiner
Weise bevorzugt, nur die höheren Hofstellen waren ihm so gut
wie vorbehalten. Beförderungen wurden. abgesehen von der HAS-
SENPFLUGschen Periode. in der selbst eine Korruption des OAGer.
versucht wurde, nur nach sachlichen Gesichtspunkten vorgenom-
men. So fehlte eigentlich jeder Anreiz zur Liebedienerei für das
Beamtentum, schlicht und geräuschlos erfüllte es seine Pflicht und
ließ sich nur nach von streng sachlichen Erwägungen leiten.
Was nun die Exekutivgewalt der Verwaltungsbehörden an-
langt, so hatten die Minister ein Recht, regulative Ausschreibun-
gen oder Ausführungsverordnungen zu den Gesetzen aus eigener
Machtvollkommenheit zu erlassen, überhaupt nicht. Es lag dazu