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„Kampf gegen die Versumpfung nicht bloß in der Natur, sondern auch in
der Gesellschaft“ das ist hier die Aufgabe. .... „Nicht mit sich selber in
der Vergangenheit, sondern mit ihrer Umgebung in der Gegenwart haben
Großmächte wie Staaten den Kampf ums Dasein zu führen. Auf dieser
Wage wiegt Italien leicht. Sein Typus ist ein entschieden progressiver,
und seine europäische Bahn führt unverkennbar aufwärts, aber in der pla-
netarischen Konkurrenz ist sein Maß noch zu klein, seine Decke noch zu
niedrig.“
Mit Frankreich gelangt die Betrachtung zu einem Großmachts-
typus höherer Ordnung. „Vor uns liegt eine Macht, die den höchsten Rang
zu beanspruchen scheint — den der Weltmacht“. Aber dieser „Excelsior-
geist“ ruht nicht auf der soliden Grundlage einer ausreichenden Volksver-
mehrung. Der Kampf der französischen Nation gegen die Zahlen der
Statistik, die ihr Ende zu prophezeien scheinen, gleicht so dem „einer
schönen Frau gegen das heranrückende Alter“. Die russische Allianz und
die englische Entente erscheinen „als eine künstliche Kombination für einen
gegebenen, zufälligen Zweck“. Lag dieser in der Revancheidee (für Kr. ist
übrigens das Elsaß eine deutsche Irredenta), „dann hat die Gegenwart
gewiß Anlaß zur Beunruhigung“. Im Vertrauen auf seine Freunde und
seine Ueberlegenheit in der vierten Waffe“ (vom Uebers. nicht zutreffend
mit Luftschiff wiedergegeben) „fühlt Frankreich sich „archipret“ — wie
1870*.
Während es „fertig* auch im Sinne einer überwiegend günstigen Ge-
staltung seiner Grenzen ist, ebenso wie Italien, macht Deutschland
dem nordischen Beobachter gleich vom geographischen Gesichtspunkte aus
„den Eindruck des Unfertigen“. Dies ist die beherrschende Kategorie für
K7. bei der Beurteilung unseres Landes. Wir finden sie unter der Rubrik
„Volk“ bei der unverhältnismäßig starken „Irredenta“ (wenn K7. dazu die
Schweiz rechnet, so befremdet es, daß er die Niederlande, die doch noch
länger beim alten Reichskörper verblieben waren, nicht erwähnt), und sie
weist die Außenpolitik in bestimmte Bahnen angesichts der Tatsache, daß
„die heutige politische Karte (Deutschlands) sich immer mehr als ein ih:..
zu kurz gewordenes Kleid, dem außerdem etwas vom Charakter einer
Zwangsjacke anbaftet, zeige‘. Auch das eigentlich „staatliche“ (verfas-
sungsrechtliche) Problem erscheint bei KJ. unter dieser Beleuchtung, und
hier sind m. E. stärkere Einwände zu machen. Es ist begreiflich daß
ein Ausländer bei dieser Materie am ehesten zu schiefen Vorsvellungen
gelangt, hat doch ihre begriffliche Erkenntnis im Inlande selbst Schwierig-
keiten genug. Das „fertig“ Machen geschieht hier zu sehr nach Art eines
Uniformierens und Nivellierens. Ks. sieht im Siune einer späteren Zukunft
Rudimente, wo gegenwärtig wenigstens noch Citadellen vorbanden sind.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXV. 1. 8