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ohne mit der größeren Blickweite in zukünftigen Fernen Neues zu schauen.
Wenn er „hinsichtlich der Machtmittel“ den ökonomischen Großmachttypus
auf der Grundlage des Geldes und den militärischen auf der der Waffen
unterscheidet, so meint er dasselbe, was einst HERBERT SpENCKkR mit sei-
nem industriellen und kriegerischen Staatstypus ausdrücken wollte und
was vor 100 Jahren auch schon SCHMALZ in seiner Schrift über das eng-
lische Parlament berührt hatte. Repräsentanten des ersteren sind für KJ.
Amerika und England, des letzteren Rußland und Japan, während Deutsch-
land und Frankreich Uebergangs- und Mischformen darstellen. Hinsichtlich
der „äußeren Gestaltung“ kontrastieren sodann der maritime uud der kon-
tinentale Typus, wobei jener als ein zersplittertes Reich von Mutterland
und Kolonien, dieser als eine geschlossene Formation in die Erscheinung
tritt. Den locker gefügten maritimen Kulturen wird weniger Lebenskraft
zugeschrieben, sei es nun, daß sie an Strommündungen, Binnenmeeren oder
Ozeanen ihre Wirkung entfalten (dies erinnert an KArL RıTTrrs Unter-
scheidung einer potamischen, thalassischen und ozeanischen Kultur).
„Die feste geographische Basis scheint (mit Hilfe der Eisenbahnen) auf
dem Weg zu sein, wieder die Oberhand über das lose Gewebe der mari-
timen Verbindungen zu gewinnen“, im Zusammenhange mit jener oben
erwähnten Autarkie, der „relativen ökonomischen Selbstgenügsamkeit* —
wiederum eine durch den bisherigen Verlauf des Krieges bestätigte Pro-
phezeiung.
Berlin-Charlottenburg. Heinrich O. Meisner
Heinrich Pohl, Professor in Greifswald, England und die Londoner
Deklaration, Berlin, 1915, J. Guttentag, 111 S., Preis 1 Mk.
Derselbe, Deutsches Seekriegsrecht, Quellensammlurg mit Sach-
register Berlin, 1915, Carl Heymanns Verlag, VIII 188 8S., Preis 2 Mk.
Kürzlich hat Professor LIEPMANN (Kiel) im „Weltwirtschaftlichen Archiv“
(V. 2 8. 479) darauf aufmerksam gemacht, die einzig mögliche Art, in krie-
gerischen Zeiten wissenschaftliche Fragen zu behandeln, sei diejenige, sich
von nationalem Pathos fernzuhalten und sich zu bemühen, die verschiedenen
Rechtsbildungen aus ihren kausalen Faktoren zu erklären; eine solche Ob-
jektivität sei zwar schwer; aber andernfalls verliere die ganze Materie je-
den, aber auch jeden wissenschaftlichen Kredit. PoHL ist anderer Auffassung,
und obwohl er in seiner Arbeit die Stellungnahme Englands zur Londoner
Deklaration vom Standpunkte des Völkerrechts untersuchen will, erhält man
doch eher den Eindruck einer politischen Tendenzschrift denn einer wissen-
schaftlichen Abhandlung. Dazu trägt insbesondere die Schärfe des Tones
bei, mit der Pouu Englands Verhalten als „eine plumpe Heuchelei“ charak-
terisiert. Das schadet dem Eindruck, den die Schrift auf den unbefangenen
Leser macht, sehr. Man fürchtet bei einer solchen Erbitterung, daß dabei