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Rechte und Pflichten festsetzen nieht zwischen den kriegführenden
Mächten, sondern zwischen der einzelnen kriegführenden Macht
und den parteilosen (neutralen) Staaten. Sie setzen also voraus,
daß sowohl die kriegführende Macht wie auch die parteilose
Macht Vertragsmächte sind. Die parteilose Macht muß Vertrags-
macht sein: daher können die Abkommen in dem gleichen Kriege
der einen parteilosen Macht gegenüber anwendbar sein, der
anderen, weil sie nicht Vertragsmacht ist, nicht — die Allbeteili-
gungsklausel erfordert natürlich nicht, daß alle parteilosen Mächte
am Vertrage beteiligt seien. Aber auch die kriegführende Macht
muß Vertragsmacht sein; und hier verlangt nun die Allbeteiligungs-
klausel, daß sogar sämtliche kriegführenden Mächte Vertrags-
parteien seien: ist am Kriege nur irgend eine Nichtvertragsmacht
beteiligt, so findet das Neutralitätsabkommen auch zwischen einer
kriegführenden Vertragsmacht und einer parteilosen Vertragsmacht
keine Anwendung.
Dies ist der Inhalt der Klausel. Welchen Erwägungen ver-
dankt sie ihr Dasein? Nach dem Verhandlungsbericht ? geht sie
einfach aus dem Gedanken hervor, daß im Kriege die eine Partei
völkerrechtlich nicht ungünstiger stehen, nicht mehr gebunden
sein soll, als die andere: die völkerrechtliche Bindung durch die
Vereinbarung soll immer eine völlig gegenseitige sein. Diese
Gegenseitigkeit wird nun dahin verstärkt, daß die mehreren auf
einer Seite stehenden kriegführenden Mächte als eine einheitliche
Partei angesehen werden: ist diese Partei nicht ganz, nicht in
allen ihren Gliedern gebunden, so entfällt die Bindung überhaupt.
Um den praktischen Zweck dieser Verstärkung zu begreifen, muß
man sich auf den Standpunkt der Vertragsmacht stellen, die sich
zwei Gegnern gegenübersieht, von denen der eine eine Vertrags-
macht, der andere eine Nichtvertragsmacht ist. Daß sie hier der
völkerrechtlichen Bindung auch gegenüber der Vertragsmacht ledig
5 S., den „Rapport“ RENAULTsS in „Deuxi&me conference de la paix“,
1907, I S. 344.