Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Unterlassung dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß der Täter 
nach seinem Gewissen oder den Vorschriften seiner Religion 
— hier liegt meist der Grund zur Eidesverweigerung — sein 
Verhalten für geboten erachtet. Bei Mennoniten und Philipponen 
ist die Eidesverweigerung sogar gesetzlich sanktioniert. Dies 
Vorgehen erscheint aus religiöser Rücksichtnahme praktisch ge- 
boten, kann aber nicht als Beweis dafür gebraucht werden, daß 
der Eid nichts bedeute als eine leere Form, und noch weniger; 
daß die im Eid genannten Pflichten darum keine Rechtspflichten 
seien. Eine Kaution — und der Eid ist die höchste Kaution 
neben Bürgschaften, Verpfändungen, Vertragsstrafen usw. — 
wird dadurch nicht zur leeren Form, daß sie in einzelnen Fällen 
nicht verlangt oder erlassen wird; und die Pflichten, die der Eid 
bekräftigt, wären auch dann Rechtspflichten, wenn sie nicht, wie 
beim Fahneneid, noch anderweit gesetzlich normiert wären, dann 
freilich nur für den, der sie im Eid übernommen. 
Falsch ist nach alledem die oft gehörte Behauptung der 
pretentiösen kleinen Schrift „Der Fahneneid im Konfliktsfall“, 
deren anonymer Verfasser erklärt °*: „Der Eid ist schon deshalb 
in seiner rechtlichen und moralischen Verbindlichkeit fraglich, 
weil er nicht freiwillig geleistet wird, sondern geleistet werden 
muß“; unrichtig auch die Darstellung TuupicHuns ®, daß der 
Eid auf Staatsgewalt beruhe und die Verweigerung Öffentliche 
(doeh wohl höchstens disziplinarische) Strafe nach sich ziehe. 
Vielmehr besteht die Möglichkeit, durch angemessene Erklärung 
stichhaltiger Gründe den Eid straflos zu verweigern. Uhnrichtig 
ist aber auch die Auffassung, „daß die Ableistung des Eides von 
jedem angenommen wird, der dabei zugegen war“, wie V. ESTORFF ° 
sag. Wohl mag man den, der nicht mitgesprochen, aber die 
Eidesleistung auch nicht ausdrücklich verweigert hat, so be- 
ss S, 17. 
55 THUDICHUM a. a. OÖ. S. 1. 
56 v, ESTORFF a. a. O. S. 2.
	        
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