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Die strafrechtliche Behandlung der Jugendin England
unter Berücksichtigung der erziehlichen Ma#&-
n&hmen von Dr. jur. Karl Struve (Verlag von Otto Liebmann,
Berlin 1914, 7.— M., geb. 8.— Mk.).
Das nordamerikanische Jugendgerichtswesen ist durch zahlreiche, von
Juristen, Pädagogen und Aerzten bearbeitete Veröffentlichungen in Deutsch-
land in weiten Kreisen bekannt geworden und hat dadurch auch einigen
Einfluß auf die Gestaltung unseres deutschen Jugendgerichtsverfahrens,
hauptsächlich auf dem Gebiete der Jugendgerichtshilfe, gewonnen. Die
englischen Einrichtungen auf diesem Gebiete waren bisher in einheit-
licher Zusammenfassung noch nicht dargestellt worden, wenn auch über
einzelne Teile des Verfahrens Abhandlungen erschienen sind. Diesem
Mangel, der bei dem hohen Stande des englischen Jugendgerichtswesens
im allgemeinen eine fühlbare Lücke auch für den Ausbau unserer einhei-
mischen Jugendstrafrechtspflege bildet, hilft die zusammenhängende und
umfassende Darstellung des englischen Jugendstrafrechts durch Dr. STRUVE
in trefflicher Weise ab. Die Arbeit ist von besonderem Wert deshalb, weil
die Schilderungen des Buches überall auf eigenen Anschauungen beruhen
und die Darstellung darum eingehend und lebensvoll dahinfließt, wie es
nur geschehen kann, wenn mit sachkundig-kritischem Blicke Geschautes
und mit seelischer Anteilnahme Erlebtes wiedergegeben wird.
Es ist gegenüber den auch bei uns einsetzenden Fortschritten von
hohem Interesse, in dem geschichtlichen Ueberblick zu sehen, wie in Eng-
land an der Stelle des Grundsatzes „Erziehung nach Strafe“, der
jetzt bei uns im allgemeinen noch maßgebend ist, der Grundsatz „Er-
ziehung oder Strafe“ trat, bis in der neuesten Zeit durch den
Children Act der Grundsatz ‚Erziehung statt Strafe“ zur An-
erkennung gelangt, und wie mit der Verbesserung der gesetzlichen Vor-
schriften ein ständiger Fortschritt in der Ausgestaltung der Schu-
len Hand in Hand gegangen ist. Das englische Recht unterscheidet 4
Grade strafrechtlicher Verantwortlichkeit, je nachdem der Täter unter
7 Jahre alt ist, oder zwischen dem 7. und 14. oder zwischen dem 14.
und 16. Lebensjahr steht oder endlich über 16 Jahre alt ist. Das eigent-
liche Jugendstrafrecht bezieht sich auf die 7 bis 16 Jahre alten Ju-
gendlichen, doch ist auch für die zwischen 16 und 21 Jahren stehenden
jungen Leute wenigstens in der Bestrafung und im Strafvollzug dem Er-
ziehungsgedanken Rechnung getragen.
Die Arbeit beschäftigt sich dann mit dem materiellen Jugendstraf-
recht und den eigentlichen Strafen, die ziemlich reichhaltig sind, wenn auch
die ordentlichen Strafmittel des Strafgesetzbuchs gegen Jugendliche unter 16
Jahren unanwendbar sind, und schildert dann ausführlich das, die mancherlei
Eigenarten der gesamten englischen Strafprozedur aufweisende Strafverfahren
gegen Jugendliche; die Straftaten von Kindern werden möglichst auf dem