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der im systematischen Teil behandelten Gegenstände mehr als ausgeglichen
ist.) In einem bescheidenen Bande fanden sich damals nach einer kurzen
philosophischen Einleitung über Recht und Rechtswissenschaft eine Reihe
von knappen Abrissen, die die verschiedenen Materien des Rechtes, wie
sie im wesentlichen gewohnheitsrechtlichen Ursprungs waren, in der Haupt-
sache in historischer Uebersicht behandelten. Ganz anders die Neubearbei-
tung KOHLERsS und vor allem die fünf Bände der zweiten Auflage, deren
Anzeige diese Zeilen gewidmet sind.
Das Programm der historischen Schule ist heute, bei aller Regsamkeit
der historischen Forschung, überwunden. Das praktische Bedürfnis hat
den Widerstand gegen die Gesetzgebung, der ihr eigentlich belebendes
Moment bildete, gebrochen und auf allen Gebieten des Rechts mehr oder
weniger umfassende Gesetze und Kodifikationen hervorgebracht, die nicht
nur in den inneren Gehalt, sondern vor allem auch in die äußere Form
unseres Rechtes erheblich eingegriffen haben. Diese Veränderung des
Rechtszustandes spricht sich in den verschiedenen Auflagen der Enzyklopädie
und vor allem in den beiden jüngsten Auflagen deutlich genug aus. Das
Historische bildet nicht mehr den eigentlichen Kern des Werkes, sondern
im Vordergrund steht die Systematik des geltenden Rechtes und
wenn auch die Rechtsgeschichte keineswegs daraus verschwunden ist, so
ist sie doch gegen die Systematik zurückgetreten, indem sie nach Umfang
und Anordnung nicht mehr als eine das Verständnis des geltenden Rechtes
bedingende Einleitung bilden will.
Aber noch nach einer anderen Richtung fällt die Verschiedenheit dieser
Neubearbeitung von der alten Enzyklopädie in die Augen. In die Zeit von
ihrer Entstehung bis zur Gegenwart fällt die ungeheure Entwicklung der
Wissenschaft des öffentlichen Rechtes, das heute, nachdem es lange
genug hinter den zivilistischen Disziplinen zurückgestanden hatte, in be-
zug auf die wissenschaftliche Durcharbeitung ebenbürtig neben diese ge-
treten ist und in der Literatur wie im Unterricht einen mindestens ebenso
breiten Raum wie diese einnimmt. Auch dies kommt in der Enzyklopädie
zum Ausdruck. Während der erste Band der philosophischen und histo-
rischen Einleitung in das geltende Recht gewidmet ist, der zweite und
dritte das Zivil- und Prozeßrecht behandelt, bieten die beiden letzten
Bände eine so umfangreiche Bearbeitung des gesamten Öffentlichen Rech-
tes, wie sie in keiner der früheren Auflagen unternommen war und vor
allem gewaltig über das bescheidene Maß der ersten Auflage hinausgeht,
die für das ganze Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht nicht einmal
300 Seiten zur Verfügung hatte. (In der Neubearbeitung sind es über
1100 Seiten!) Damit ist natürlich das räumliche Anwachsen des ganzen
Werkes verbunden gewesen, das von den 823 Seiten der ersten Auflage
auf mehr als 2600 Seiten gestiegen ist.
Trotz dieser erheblichen äußeren und inneren Veränderungen ist je-