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Man wird über das, was als Ziel überhaupt in Frage kommen
kann, am besten Klarheit gewinnen, wenn man nicht ausgeht von
abstrakten Erwägungen, sondern von den realen Tatsachen, indem
man die wichtigeren Kriege der neueren Zeit daraufhin prüft,
welche Streitfragen zu ihrem Ausbruche Veranlassung gegeben
haben.
Schon bei dem siebenjährigen Kriege, obgleich bei ihm noch
gewisse Erscheinungen der Kabinettskriege hervortraten, handelte
es sich doch bereits um einen großen historischen Gegensatz,
nämlich um die Frage, ob in Deutschland der Schwerpunkt der
Macht in der Hand des alten und immer kraftloser gewordenen
österreichischen Kaisertums liegen, oder ob dieses abgelöst werden
solle durch das emporstrebende und modernen Gedanken zu-
gänglichere Preußen. Die Kriege Napoleons entsprangen dem
Streben nach Weltherrschaft, aber dieser Gewaltmensch war doch
zugleich auch der Träger neuer großer Ideen. Umgekehrt rich-
teten sich die Befreiungskriege gegen die Autokratie eines Ein-
zelnen und das Uebergewicht eines einzigen Volkes. In Deutsch-
land drängte dann der zwischen Oesterreich und Preußen bestehende
und auf die Dauer unmögliche Dualismus zu einer Scheidung, und
sie wurde erzielt durch den Krieg von 1866. Der deutsch-fran-
zösische Krieg von 1870 war erforderlich, um die gewonnene
deutsche Einheit gegen die Eifersucht des Auslandes zu vertei-
digen. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg wollte eine neue
Welt mit anderen Gedanken und Einrichtungen, als sie in der
alten bestanden, auf eigene Füße stellen. Der Sezessionskrieg
bedeutete, abgesehen von dem Streitpunkte der Sklaverei, eine
Auseinandersetzung zwischen den agrarisch-feudalistischen An-
schauungen des Südens und den individualistisch-freiheitlichen des
Nordens. Japan ist seit 1878 in eine völlig neue Periode seiner
Geschichte eingetreten. Es war innerlich eine Großmacht ge-
worden und mußte in dem Kriege gegen Rußland die öffentliche