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zwei Klassen eingeteilt werden, je nachdem das Interesse, um das
es sich handelt, materieller oder ideeller Natur ist.
In die erstere Gruppe fällt die Ordnung des wirtschaft-
lichen Lebens und insbesondere des Handels. Seitdem der Grund-
satz des Freihandels von den meisten Staaten aufgegeben und
durch das Schutzzollsystem ersetzt ist, führen in der Regel die
Verhandlungen über den Abschluß von Handelsverträgen zum
Hervortreten schwerwiegender Gegensätze der Auffassungen, die
in der Verschiedenheit der beiderseitigen Interessen ihren Grund
haben. Sind sie nicht durch gegenseitige Zugeständnisse beizu-
legen, so entsteht ein Zustand, den man als Handelskrieg
bezeichnet und der mit dem wirklichen Kriege die Verwandtschaft
hat, daß man auf beiden Seiten sich bemüht, den Gegner mög-
lichst zu schädigen. Uebrigens handelt es sich bei solehen Fra-
gen keineswegs immer bloß um das Verhältnis unter zwei Staaten,
sondern auch unter größeren Gruppen werden ähnliche Verträge
geschlossen, wie es die internationale Zuckerkonvention beweist.
Immerhin sind Gegensätze dieser Art, bei denen eine Aus-
gleichung durch Verträge möglich ist, noch nicht die bedenklich-
sten, sondern viel größere Bedeutung haben die Reibungen, die
aus der allgemeinen Konkurrenzstellung auf dem
internationalen Wirtschaftsgebiete entstehen. Man hat oft die
Frage aufgeworfen, worauf es zurückzuführen sei, daß wir Deutsche
im Auslande im allgemeinen weniger Sympathien als Antipathien
begegnen und findet übereinstimmend eine wichtige Ursache darin,
daß wir infolge unseres wirtschaftlichen Aufsehwunges die Inter-
essen der andern Völker beeinträchtigen. Ist damit die Erschei-
nung zweifellos noch nicht erschöpfend erklärt, so ist doch sicher
diese Tatsache als ein erhebliches Moment anzusehen.
Aehnlich liegt es auf dem ideellen Gebiete. Verhältnisse,
die hier zu Streitigkeiten führen können, sind zum Beispiel: die
Ordnung des Auswanderungs- und Niederlassungswesens, die Na-
turalisation und Staatsangehörigkeit, die Behandlung der Frem-