Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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belangt, so gibt es keine Norm, die das Denken desjenigen, der 
sie ausführen und der sie befolgen soll, in eine gebundene 
Marschroute dirigieren könnte®. Im Hinblick auf „das Unver- 
mögen der Sprache, für alle Abstufungen der Quantität und Qua- 
lität eine passende Bezeichnung zu bieten“, ist auch die Auslegung 
des Ausdrucks des gesetzgeberischen Willens nichts als Befolgung 
der ganz allgemeinen somit unbestimmten Weisung, von 
allen Deutungsmöglichkeiten die beste zu wählen ohne Beigabe 
eines leicht zu handhabenden Maßes für diese Wahl, und darum 
Ermessen. Wir leben darum auch innerhalb des Ge- 
bietes dersogenannten gebundenen Rechtsprechung 
in nicht unerhebliehem Umfange unter der Herrschaft der 
mit Sicherheit nicht voraussehbaren Norm a posterior. Es man- 
gelt an sicher leitenden Regeln der Rückführbarkeit einer Ent- 
scheidung auf das Gesetz, das sie anzuwenden vorgibt. Die Norm 
ist somit ein technisch ganz unzulängliches Ma& für die Recht- 
mäßigkeit nicht nur des Tuns und Lassens des Einzelnen, sondern 
auch der vollzogenen autorativen Beurteilung dieses Tuns und Lassens. 
Dieses Maß verändert sich nach der Individualität des 
Messenden. Wer den Richter von seiner richterlichen Tätig- 
keit her genau kennt, der Amtsgenosse, wird den Ausgang eines 
Prozesses, bei dem es nur auf die Rechtsfrage ankommt, mit 
einem ungleich höheren Grad vorausbestimmen als der geschick- 
teste Anwalt, der dem Richter zum erstenmal gegenübertritt und 
in dieser Hinsicht nicht orientiert ist. Welche Stellung die 
österreichischen Gerichte zu den durch die parlamentarische Ob- 
struktion hervorgerufenen Staatsakten einnehmen würden, war im 
Hinblick auf ihre mit den politischen Verhältnissen 
Oesterreichs zu erklärende Prüfungsscheu gegenüber 
8 TEZNER, Das freie Ermessen der Verwaltungsbehörden als Grund der 
Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte (1888) 8. 14. Ebenso KrLsen 
a. a. 0. S. 505. 
® TEZNER a. a. O. S. 39f., S4f.
	        
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