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Verfassungsgesetz geschrieben steht. Wie die Jurisprudenz
als formal-logische Synthese damit fertig wird, ist völlig gleichgül-
tig. Die englischen Konventionalregeln sind, so lange sie wirken,
wirksames Recht, unabhängig davon, wie sie mit der Gesetzes-
staatstheorie in Einklang gebracht werden können. Die öster-
reichisch-ungarische Monarchie besteht so zu Recht, wıe sie in
Erscheinung tritt. Die Wirksamkeit des Rechts ist nicht
davon abhängig, ob es gelingt, seine unbestrittene juristisch-
formale Synthese herzustellen. Das beweist doch die Ueberfülle
von Kontroversen, die sich an ein positives Recht, an die Kon-
struktion einer Staatenverbindung z. B. an jene der sogenannten
Realunion, des Bundesstaates knüpfen. Positives Recht ist
nicht nach den Regeln der formalen Logik aufge-
baut. Wie vermöchte es unter solchen Umständen dem Ver-
suche eines solchen Aufbaues ex post standzuhalten? Das kodifizierte
Recht der konstitutionell-monarchischen Verfassungen ist ganz wie
seine berühmte Grundlegung durch Montesquieu ein System von
bewußten Inkonsequenzen, von Rechtsgrundsätzen, die
an einer bestimmten Stelle in die entgegengesetzte
Richtung umgebogen werden!!, von Regeln und Aus-
nahmen und Ausnahmen der Ausnahmen, wie sich das aus der
contradietio in adjecto dr demokratischen Monarchie"?
ergibt. Soll doch schon nach ARISTOTELES die beste Staatsver-
fassung aus der Mischung widersprechender Organisa-
tionsgrundsätze hervorgehen. Nach der Anschauung un-
garischer Staatsmänner soll der Kontrast zwischen den Prinzipien
der pragmatischen Sanktion und der Unabhängigkeit Ungarns die
sicherste Grundlage für den Bestand der österreichisch-unga-
rischen Monarchie bilden! GEOR@ JELLINEK hat seine ursprüng-
liche Lehre von den starren kantigen Rechtsbegriffen des öffent-
lichen Rechts durch die andere von der Nachgiebigkeit, Schmieg-
11 TEZNER im 28. Bd. des Archivs des öffentlichen Rechts S. 338 f.
ı? REHM, Allgemeine Staatslehre (1899) S. 281.