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von den Grenzen der Leistungsfähigkeit der juristischen Methode
und von den Gründen ihrer Beschränktheit. Die empirische Be-
trachtung allein und nicht die juristische Methode, die nieht zu
hindern vermag, daß der originäre Rechtssatz mindestens das
Gesetz für denkonkreten Entscheidungsfall bildet und
daß Spruchsammlungen, Sammlungen von Präzedenzfällen der par-
lamentarischen Praxis für das Reehtsleben die gleiche Bedeutung
besitzen wie Gesetzessammlungen, eröffnet uns den Einblick in
das Wesen der Rechtsprechung und der Rechtsübung und läßt
uns die außerordentlichen Gefahren der Forderung erkennen, daß
alles staatliche Handeln und Exequieren unterbleiben muß, oder
staatswidrig ist, wenn es nicht auf einen bereitgestellten Rechts-
satz zurückgeführt werden kann. Sie läßt uns diese Forderung
als obligatio impossibilis erkennen, der keine geschichtliche
Epoche Genüge zu leisten vermochte und menschlicher Voraus-
sicht nach niemals Genüge leisten wird. Sie eröffnet uns den Blick
für die außerordentlich kulturelle und gütererhaltende Funktion
der originären Rechtsprechung, die sich sehr anschaulich an dem
Spruche des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs bewährt hat,
daß der Staat nicht verpflichtet, ist, vor dem Korybantentum
einer verwegenen und frevlerisch obstruierenden parlamentari-
schen Partei zu kapitulieren. Solche staatsgefährliche Obstruk-
tion mag die juristische Methode in Verlegenheit bringen, gegen-
über der Rechtsprechung wird es ihr zum Glück nicht gelingen.
Denn der Geist der Rechtsprechung und der originären auf prä-
stabilisierte Rechtsnormen nicht rückführbaren Rechtsübung ist
ein Geist, der schafft am laufenden Webstuhl der Zeit und wirket
des Rechtes lebendiges Kleid. Deshalb können wir auch darüber
beruhigt sein, daß im gegebenen Falle die Regentschaftsfrage für
die österreichisch-ungarische Monarchie ihre rechtliche Lösung
erfahren würde, ungeachtet sie nirgends gesetzlich vorgesehen und
auch der dynastische Faktor nicht bestimmt ist, der an Stelle des
regierungsunfähigen Monarchen zur Teilnahme an der gesetz-
liehen Lösung: zuständig sein soll.