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Pitamie Leonidas Dr., Die parlamentarischeMitwirkung bei
Staatsverträgen in Oesterreich (Wiener Staatswissen-
schaftliche Studien, XII. Bd., Erstes Heft). 188 S.
Den Inhalt seiner verdienstvollen Arbeit gliedert der Verfasser in elf
Kapitel. Man kann darin drei Teile unterscheiden. Der erste ist der Ent-
stehung und Entwicklung der österreichischen positiv-rechtlichen Bestim-
mungen bezüglich der Staaisverträge gewidmet. Hier erwähnt der Autor
die Vorbilder der Österreichischen Verfassung: die belgische und preußische
(v. J. 1850) und das Urbild beider: die französischen Verfassungen der
Revolutionszeit. Hierauf werden die einzelnen österreichischen Verfassungs-
bestimmungen von der sog. Pillersdorfschen bis zur Dezemberverfassung
v. J. 1867 unter Bedachtnahme auf die diesbezüglichen parlamentarischen
Verhandlungen und die damalige und jetzige Praxis abgehandelt. Der
zweite Teil befaßt sich mit der allgemeinen Theorie der Staatsverträge.
Im dritten Teile werden die einzelnen Begriffe und positiven Bestimmungen
genauer untersucht.
Der Verfasser gelangt zu folgenden Ergebnissen: „Staatsvertrag“ be-
deutet soviel wie „völkerrechtlicher Vertrag“, der sich von anderen Verträgen,
bei denen Staaten als vertragsschließende Parteien auftreten, dadurch unter-
scheidet, daß sich sein Objekt auf staatliche Hoheitsrechte (imperium) be-
zieht (S. 21). Den in der Literatur geläufigen Unterschied zwischen eigent-
lichen (sc. rechtsgeschäftlichen) Verträgen und „Vereinbarungen“ rechts-
normativer Natur läßt der Verfasser als für den Gegenstand seiner Ab-
handlung irrelevant unberücksichtigt (S. 24, 25). Dagegen unterscheidet
er bezüglich der Form der Verträge die sog. solenne und nicht solenne
Form des Vertragsabschlusses.. Die letztere hält er nach österreichischem
Recht für nicht zulässig — jedoch nicht nach Völkerrecht (S. 30), Dadurch
ist schon sein prinzipieller Standpunkt zur Frage der Konstruktion
des Völkerrechts angedeutet. Er ist Anhänger der sog. staats-
rechtlichen Theorie (GwEist, LABAND, ANSCHÜTZ u. a.; für das
österreichische Recht SPIEGEL, HERRNRITT, ULBRICH) und als solcher kon-
struiert er das Völkerrecht als ein selbständiges, vom innerstaatlichen
Recht vollkommen unabhängiges System von Rechtsnormen, welches
als „über oder außer“ der einzelnen innerstaatlichen Rechtsordnungen
stehend zu denken ist (S. 40). Konsequent beantwortet er daher die Frage,
„ob die Verfassung eines Staates überhaupt imstande ist, Regeln für ein
Rechtsverhältnis des Völkerrechtes aufzustellen“ (S. 37), negativ. Wenn
also diese Regeln nicht in den einzelnen innerstaatlichen Verfassungen zu
finden sind, wo sind sie zu suchen ? Hier gibt es nur einen einzigen Aus-
weg, den der Verfasser auch tatsächlich betreten hat: Das internationale
Recht ist ihm prinzipiell Gewohnheitsrecht (vgl. z. B. S. 38, 47).
Das heißt also: Staatsverträge sollen in der Form abgeschlossen werden,
in welcher sie gewöhnlich abgeschlossen werden; internationale Verpflich-