Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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Standpunkt, daß dieses nicht angängig sei, da es an dem wesent- 
lichen Erfordernis des Lebens in häuslicher Gemeinschaft mit den 
Hinterbliebenen bis zum Tode fehle (vgl. Zentralblatt der Reichs- 
versicherung, 1914 Seite 361). Dieser Ansicht versagten jedoch 
Literatur und Rechtsprechung die Gefolgschaft; sie wird aber von 
STIER-SOMLO mit Nachdruck aufrechterhalten (vgl. a. a. O. S. 408, 
Nachsatz der Redaktion zu dem diesem Standpunkt widerspre- 
chenden Aufsatze von GRÄF). Nachdem sich das Reichsversiche- 
rungsamt mit dieser Frage höchstinstanzlich befaßt hat, hat sie, 
wenigstens für die Praxis, ihre Erledigung gefunden. In ihrer 
grundsätzlichen Entscheidung vom 1. Februar 1915, Amtl. Nachr. 
des Reichsversicherungsamts 1915 Seite 432 f. führt diese oberste 
Spruchbehörde aus, daß der Begriff der häuslichen Gemeinschaft 
im Sinne des $& 203 RVO. zwar im allgemeinen ein räum- 
liches Zusammenleben voraussetze, man müsse aber bei der Be- 
urteilung der Frage, ob diese Gemeinschaft aufgehoben sei, auch 
auf den Willen der Beteiligten Gewicht legen. Deshalb könne 
man bei einer voraussichtlich vorübergehenden Trennung eine Auf- 
lösung der häuslichen Gemeinschaft nur dann als vorliegend an- 
erkennen, wenn die Trennung in der Absicht erfolge, die Gemein- 
schaft nicht oder nach Beseitigung des Trennungsgrundes nicht 
mehr fortzusetzen. Auf Grund dieses Gedankenganges gelangt das 
RVA. zu dem Schluß, daß die häusliche Gemeinschaft im Sinne 
des & 203 Satz 2 RVO. durch Einberufung des Versicherten zum 
Kriegsdienst noch nicht ohne weiteres aufgehoben wird. 
In der gleichen Entscheidung erklärt das RVA., daß zwar 
nach dem strengen Wortlaute des $ 203 Sterbegeld nur dann ge- 
zahlt werden dürfe, wenn ein Begräbnis stattgefunden habe, denn 
ein solches setze diese Bestimmung scheinbar voraus, auch könne 
man nur ın diesen Fällen von einem „ÜUeberschuß“ reden, der den 
Angehörigen überwiesen werden soll. Indessen habe der Gesetz- 
geber, wie nach Sinn und Zweck der Vorschrift angenommen 
werden müsse, hierbei die Regelfälle im Auge gehabt, in denen
	        
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