— 374 —
Urteil des Reichsgerichts vom 3. Oktober 1904 (RG. 59, 197),
dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Der Kläger war in
einem von der beklagten Landesversicherungsanstalt verwalteten
Krankenhaus in Pflege und erlitt dort einen Unfall, weil der
Hausdiener die Lampe im Hausgange zu früh ausgelöscht hatte;
er nahm auf Schadensersatz die Beklagte in Anspruch, die nach
S 278 das Verschulden des Angestellten wie das ihrige zu ver-
treten habe. Das RG. lehnte diese Auffassung ab: Die Versiche-
rung nach Maßgabe des RGes. vom 19. Juli 1899* erfolge nicht
auf Grund eines Vertrags, dessen Inhalt die wechselseitigen Ver-
pflichtungen des Versicherers und Versicherten bestimme, sondern
sei eine im Interesse des Gemeinwohls angeordnete, öffentlich-
rechtliche Einrichtung. Das Gesetz schreibe vor, was dem Ver-
sicherten zu gewähren sei und von wem die Kosten aufzubringen
seien, es übertrage auch das Maß dieser Verpflichtungen den be-
sonders dafür geschaffenen Behörden. Dem Vertragswillen sei
nirgends Raum gelassen, und die Möglichkeit, daß der Versicherte
eintretendenfalls auf die ihm zustehenden Leistungen verziehten
könne, sei nicht ausreichend, dem im übrigen der Verfügungsmacht
der Beteiligten entzogenen Verhältnisse die rechtliche Bedeutung
eines Vertrags zu geben, den die Versicherungsanstalt durch Ge-
währung der im Gesetze bestimmten Leistungen zu erfüllen habe.
Nach $ 18a. a. O.° könne die Anstalt den Versicherten in einem
* Jetzt der Reichsversicherungsordnung v. 19. Juli 1911.
5 Jetzt $ 1270 RVO. Dagegen liegt ein rein privatrechtliches Ver-
hältnis vor, wenn eine Stadtgemeinde in ihrem Krankenhaus Behandlung
gegen Entgelt gewährt. RG. 83, 72 = Recht 13 N. 2714: Zwischen dem
Kranken, der zur Vornahme einer Operation als „zahlungsfähige Privat-
person“ in eine besondere Pflegekasse eines Krankenhauses aufgenommen
wird, und dem Kıankenhausunternehmer wird, auch wenn dieser als juri-
stische Person des Öffentlichen Rechts das Krankenhaus im allgemeinen
zur Erfüllung einer Öffentlich-rechtlichen Verpflichtung hält, ein bürger-
lich-rechtliches Vertragsverhältnis begründet (RGZ. Bd. 64 8.231; SOERGEL,
Rechtspr. 1907 Nr. 8 zu $ 278 und „Recht“ 1912 Nr. 265). Dabei ist es
unerheblich, ob die Krankenhausgebühren öffentliche Abgaben und im Wege