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tigkeit des Staatsorgans unter dem Gesichtswinkel des handelnden
Menschen zu betrachten. Wie nun der Mensch einen fehlerhaften
Willensentschluß fassen kann aus einem Mangel des Denkens, des
Wollens oder der Erklärung heraus, so auch der Richter.
Der Fehler im Denken heißt Irrtum. Er kann sein ein Irren
im Recht oder über Tatsachen.
Der Richter irrt im Recht: Hierher gehören folgende Fälle:
1. Der Vormundschaftsrichter hat einem ausländischen Minder-
jährigen, der im Inlande seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat,
einen Vormund bestellt, ohne daß das ausländische Gericht die
Fürsorgetätigkeit abgelehnt hätte (Art. 23 EG. BGB.) ®;
2. einem geisteskranken Volljährigen hat der Richter einen
Vormund bestellt, ohne die Entmündigung abzuwarten ($ 1896
BGB.);
3. der Vormundschaftsrichter hat über einen Volljährigen die
vorläufige Vormundschaft angeordnet und ihm einen Vormund be-
stellt, ohne daß ein Antrag auf Entmündigung gestellt worden war
(S 1906 verb. m. 1908 BGB.).
Oder der Richter irrt über Tatsachen: Hierher sınd folgende
Fälle zu rechnen:
1a. Die versehentliche Einleitung der Vormundschaft und die
Bestellung eines Vormundes über einen nicht entmündigten Voll-
jährigen, den der Amtsrichter für minderjährig hält, obwohl er
das 21. Lebensjahr vollendet hat oder für volljährig erklärt wor-
den ist;
2a. über einen bereits Bevormundeten wird abermals die Vor-
mundschaft eingeleitet und ihm ein zweiter Vormund gesetzt;
3a. einem Ausländer, den der Vormundschaftsrichter irrtüm-
lich für fürsorgebedürftig oder entmündigt hält (Art. 23), wird
ein Vormund bestellt;
#8 An sich stehen Recht und Pflicht der Fürsorge dem Staate zu, dessen
Staatsangehörigkeit der Schutzbedürftige hat: die Vormundschaft ist eine
nationale Wohlfahrtseinrichtung. Art. 23 ist daher eine aus Zweckmäßig-
keitsgründen zugelassene Durchbrechung des Nationalprinzips; vgl. GLAES-
SInG, ArchöffR. Bd. 16, S. 451 und Spann S. 141.