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eine unerläßliche Bedingung der reinlichen Durchführung der
Staatsaufgaben, mag nun die Trennung der Gewalten rezipiert
worden sein oder nicht. Daher ist die erschlichene Bevormun-
dung nur dann unwirksam, wenn es auch die irrige ist”.
Was von dem durch Täuschung beeinflußten Denken des Vor-
mundschaftsrichters gilt, ist auch von seinem falschen Wollen zu
sagen. Durch den Mißbrauch seiner Amtsgewalt hört er nicht
auf, Organ des Staates zu sein und behält damit die Fähigkeit,
eine gültige Bestellung vornehmen zu können. Inwiefern er
sich aber durch doloses Vorgehen im Amte strafbar
und ersatzpflichtig macht, bleibt späterer Unter-
suchung überlassen".
Wir sind zu folgender Lösung gekommen: Die Gesetz-
widrigkeit der Vormundsbestellung für einen, der
der Vormundschaft nicht bedarf, begründet keine
Nichtigkeit.
Dem entspricht vollkommen ENDEMANNs Legitimationstheo-
rie’*, die in dem Satze gipfelt: „Die ausdrückliche Bestellung
» W. JELLINER S. 111. — Was aber für die einseitigen tatbestands-
verändernden Staatsakte zutrifft, und von uns daher auch von den Ver-
fügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die den Verwaltungsakten sehr
nahe stehen, behauptet wird, gilt nicht für die rechtsbestimmenden Ver-
fügungen, die Urteile (vgl. oben $ 4, N. 7—10).
»ı Darüber wird der $ 20 zu handeln haben.
92 ENDEMANN S. 789 ff. Diese Legitimationstheorie oder das Prinzip
der Verbindlichkeit der Staatsakte ist, ohne bisher auf wissenschaftliche
Grundlage gestellt worden zu sein, von der Praxis, insbesondere dem Reichs-
gericht, für das Gebiet des Vormundschaftsrechts schon unter der Herr-
schaft der preußischen Vormundschaftsordnung von 1875 anerkannt und
befolgt worden: Vgl. besonders RGE. 9, 183; 14, 271; 33, 413; 34, 415;
und RG. in JW. 1891 S. 434; 1903 Beil. S. 64. Nach diesen Entscheidungen
ist sowohl dem-Prozeß- als auch dem Strafrichter ein Nachprüfungsrecht
darüber, ob die Bestellung eines Vormundes rechtmäßig erfolgt sei, ent-
zogen, weil auch die gesetzwidrig erfolgte Vormundsbastellung für sie
schlechthin verbindlich sei. Dazu Joser in ZZP. Bd. 30 (1902) S. 98ff.; S. 101
N. 4; SALINGER, KGBl. (1904), S. 28. Der Begriff der Verbindlichkeit ist
auch der staatsrechtlichen Literatur bis auf W. JELLINEK, der zuerst eine
allgemeine Theorie der Verbindlichkeit und Nichtigkeit von Staatsakten