Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 35 (35)

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eine unerläßliche Bedingung der reinlichen Durchführung der 
Staatsaufgaben, mag nun die Trennung der Gewalten rezipiert 
worden sein oder nicht. Daher ist die erschlichene Bevormun- 
dung nur dann unwirksam, wenn es auch die irrige ist”. 
Was von dem durch Täuschung beeinflußten Denken des Vor- 
mundschaftsrichters gilt, ist auch von seinem falschen Wollen zu 
sagen. Durch den Mißbrauch seiner Amtsgewalt hört er nicht 
auf, Organ des Staates zu sein und behält damit die Fähigkeit, 
eine gültige Bestellung vornehmen zu können. Inwiefern er 
sich aber durch doloses Vorgehen im Amte strafbar 
und ersatzpflichtig macht, bleibt späterer Unter- 
suchung überlassen". 
Wir sind zu folgender Lösung gekommen: Die Gesetz- 
widrigkeit der Vormundsbestellung für einen, der 
der Vormundschaft nicht bedarf, begründet keine 
Nichtigkeit. 
Dem entspricht vollkommen ENDEMANNs Legitimationstheo- 
rie’*, die in dem Satze gipfelt: „Die ausdrückliche Bestellung 
» W. JELLINER S. 111. — Was aber für die einseitigen tatbestands- 
verändernden Staatsakte zutrifft, und von uns daher auch von den Ver- 
fügungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die den Verwaltungsakten sehr 
nahe stehen, behauptet wird, gilt nicht für die rechtsbestimmenden Ver- 
fügungen, die Urteile (vgl. oben $ 4, N. 7—10). 
»ı Darüber wird der $ 20 zu handeln haben. 
92 ENDEMANN S. 789 ff. Diese Legitimationstheorie oder das Prinzip 
der Verbindlichkeit der Staatsakte ist, ohne bisher auf wissenschaftliche 
Grundlage gestellt worden zu sein, von der Praxis, insbesondere dem Reichs- 
gericht, für das Gebiet des Vormundschaftsrechts schon unter der Herr- 
schaft der preußischen Vormundschaftsordnung von 1875 anerkannt und 
befolgt worden: Vgl. besonders RGE. 9, 183; 14, 271; 33, 413; 34, 415; 
und RG. in JW. 1891 S. 434; 1903 Beil. S. 64. Nach diesen Entscheidungen 
ist sowohl dem-Prozeß- als auch dem Strafrichter ein Nachprüfungsrecht 
darüber, ob die Bestellung eines Vormundes rechtmäßig erfolgt sei, ent- 
zogen, weil auch die gesetzwidrig erfolgte Vormundsbastellung für sie 
schlechthin verbindlich sei. Dazu Joser in ZZP. Bd. 30 (1902) S. 98ff.; S. 101 
N. 4; SALINGER, KGBl. (1904), S. 28. Der Begriff der Verbindlichkeit ist 
auch der staatsrechtlichen Literatur bis auf W. JELLINEK, der zuerst eine 
allgemeine Theorie der Verbindlichkeit und Nichtigkeit von Staatsakten
	        
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