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eine Fähigkeit. Der Richter gibt lediglich dem Vormund
sein Amt und versetzt ihn dadurch in eine Rechtslage, mit der
das Gesetz seinerseits ein Gewaltverhältnis eigener Art
mit individualisierten Rechten und Pflichten verbindet !?”. Alle
Bestimmungen des Gesetzes, die von den Rechten und Pflichten
des Vormundes sprechen, haben zur notwendigen Voraussetzung,
daß eine wirksame, d. h. verfabrensgemäße Vormundsbestellung
ergangen ist, daß also jemand da ist, dem die Rechte verliehen,
die Pflichten auferlegt werden können. Wie die Vollmacht auf
einer Willenserklärung, der Bevollmächtigung, als Tatbestand ba-
siert!®, ist hier der gültige obrigkeitliche Bestellungs-
akt der gesetzlich festgelegte Tatbestand", auf dem
die Vertretungsmacht des Vormundes beruht.
In den Fällen des 8 1882 ist es von vornherein gewiß, daß
die durch den staatlichen Bestellungsakt geschaffene Rechtslage des
Vormundes niemals zu einem eigenen subjektiven Recht desselben
erstarken wird. Gleichwohl aber läßt das Gesetz auch hier den
gültigen obrigkeitlichen Bestellungsakt nicht ohne jede Rechts-
wirkung. Es wäre eine offensichtliche Unbilligkeit, sollte der
Vormund, der ım Vertrauen auf die Bedeutsamkeit seiner durch
staatliche Autorität geschaffenen Rechtslage für den seinem Schutze
Unterstellten tätig wird, selbst ungeschützt bleiben. Es ist ein
unausgesprochenes, aber stillschweigendes Rechtsprinzip !?°, nach
dem unser Gesetz nicht nur im Güterrechtsverkehr, sondern natur-
gemäß in noch stärkerem Maße die mangelhafte menschliche Er-
kenntnisfähigkeit in solchen Rechtslagen schützt, die durch staat-
liche Mitwirkung herbeigeführt worden sind. Dieses Rechtsprin-
137 KOHLER, Lehrb. Bd. I S. 151 verwirrt Richtiges mit Falschem:: nicht
die Rechtsmacht, welche man Vertretungsmacht nennt, ist eine Rechtslage
(vgl. dagegen den bloßen Wortlaut des $ 1793), sondern die Bestellung, der
sie entspringt.
135 HupkA, Die Vollmacht, 1900, S. 1 N. 1.
122 v. TuHr, Der allgemeine Teil des deutschen Bürgerlichen Rechts,
I. Bd. (1910) 8. 164.
180 Vgl. RAMDOHR bei GRUCHOT 44, insbes. S, 117, 122 und 128.