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Konkurrierendes und kollidierendes Handeln
des Vormundes und des Scheinmündels.
Die Frage, wie die möglichen Kollisionen zwischen dem zu
Unrecht bestellten Vormund und dem zu Unrecht Bevormundeten
gelöst werden sollen, nimmt an der allgemeineren Frage teil, wie
Kollisionen zwischen Handlungen des gesetzlichen Vertreters und
des Vertretenen zu lösen sind. —
Das Bürgerliche Gesetzbuch gibt in seinem Einführungsge-
setz1® nur Ausgleichsregeln für die Kollision der staatlichen
Willenserklärungen (sog. örtliche und zeitliche Kollisionsnormen),
vermeidet es aber, auch die kollidierenden Willenserklärungen der
Privaten in seinen Gesichtskreis zu ziehen. Aus den Materialien
geht zwar hervor, daß die Kommission bei der Beratung der
Pflegschaft der Möglichkeit eines Widerspruchs zwischen den
Handlungen des Pflegers und des Pfleglings gedacht hat; aber
ihre Bemerkung '®, daß die „zuerst vorgenommene Handlung gül-
tig sein müsse, daß dagegen eine rechtswirksame Handlung nicht
zustande kommen könne, wenn gleichzeitig widersprechende Er-
klärungen seitens des Pflegers und des Pfleglings abgegeben wür-
den“, orientiert uns allenfalls über die Schwierigkeit der Lösung,
ist aber von einer solchen selbst weit entfernt. So kann beim
Schweigen des Gesetzes nur die Wissenschaft die Lösung bringen.
Hier aber zeigt sich bezüglich der uns beschäftigenden Fragen
eine gähnende Leere. SCHLOSSMANNS dickleibiges Werk insbe-
sondere bietet ein warnendes Beispiel dafür, wie gefährlich und
unfruchtbar es ist, rein konstruktive Jurisprudenz zu treiben. Auch
wo seine Lehre, über eine sich in die kleinsten Einzelheiten ver-
lierende Kritik der bisherigen Lehre über das Wesen der Stell-
vertretung hinausgehend, sich zu einem eigenen Begriffsbau er-
hebt, bleibt sie dennoch in grauer Theorie befangen, ohne dem
166 7. B. Art. 32, 153 ff. EGBGB.
167 Protokolle Bd. 4 S. 858: Motive 1, 277.