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schränkt zustanden und durch die VU. nicht beschränkt worden seien und
mit dem Ausdruck „Verordnung“ eine technische Bedeutung nicht verbun-
den sei, ihr Erlaß also bestimmte formelle Erfordernisse nicht habe, also
der Gegenzeichnung durch den Minister und der Verkündigung nicht be-
dürfe. Daß bei dem Erlaß der Disziplinarordnung diesen Erfordernissen
genügt ist, wird nicht in Betracht gezogen, dagegen wird ein Exkurs über
den Gegensatz von Armeeverordnungen und Armeebefehlen eingeschoben
und daran die Bemerkung geknüpft, daß das Erkenntnis des Ehrengerichts
trotz seiner irreführenden Bezeichnung nur ein Vorschlag, ein Gutachten
für den König sei, an welches er nicht gebunden ist. Aufgabe der Ehren-
gerichte sei es nur, den König bei ehrgerichtlichen Untersuchungen zu
unterstützen. Die EGV. von 1874 enthalte keine Rechtsvorschriften, son-
dern sei ein Dienstbefehl. „Die Ehrengerichte sind keine Gerichte, haben
keine Gerichtsbarkeit, keine Gerichtsgewalt, ihre Erkenntnisse bzw. Sprüche
haben keine Rechtskraft“ (S. 55). Dies ist zwar richtig; aber wo bleibt
da die Gleichartigkeit der EGV. mit der Milit.-Disziplinarordnung ?
Die materielle Rechtsgültigkeit der EGV. hängt nach der Ansicht des
Verf. davon ab, ob sie sich innerhalb der Grenzen der Kommandogewalt
hält. Die Beantwortung dieser Frage beginnt der Verf. mit einer Erörte-
rung über Amtstitel und Ehrentitel; nachdem er festgestellt hat, daß die
Entziehung eines Titels eine Strafe ist, auf welche sowohl nach dem
Strafgesetzb., dem Reichsbeamtengesetz, dem preußischen Disziplinargesetz,
als auch nach dem Mil.Strafgesetzb. und zwar nur in Verbindung mit einer
andern Strafe erkannt werden kann, stellt er mit einer gewundenen und
keineswegs überzeugenden Begründung die Behauptung auf, daß der König
außerdem auch die von ihm verliehenen Titel nach eigenem Ermessen wie-
der entziehen kann. Der Verf. fügt hinzu, daß die Entziehung nicht will-
kürlich, sondern nur wegen Unehrenhaftigkeit des Inhabers der Auszeich-
nung oder im berechtigten (?) öffentlichen Interesse erfolgen dürfe; aber
es ist nicht ersichtlich, mit welchem Recht der Verf. den souveränen Kö-
nig in der Ausübung seines angeblichen Rechts diesen Beschränkungen
unterwirft.
Die wichtigste Frage aber, nämlich ob sich die EGV. vom 2. Mai 1874
als Disziplinarvorschrift auch auf Offiziere a. D. erstrecken durfte, erörtert
der Verf. S. 61 fi. Zunächst gibt er wieder einen Exkurs über die Streit-
frage, ob der Eimtritt in den Offiziersdienst durch ein zweiseitiges Rechts-
geschäft oder durch einen einseitigen Akt des Staats sich vollziehe; die
Entscheidung dieser Frage hat aber für die Beantwortung der Hauptfrage
gar keine Bedeutung, da der Kreis der Personen, auf welche die Diszipli-
nargewalt sich erstreckt, bei beiden Ansichten der gleiche ist. Der Verf.
stellt nun (S. 64 fg.) ganz richtig fest, daß die Disziplinargewalt mit dem
Ausscheiden aus dem Heere erlischt und die Offiziere a. D. weder zum ak-
tiven Heere noch zum Beurlaubtenstande gehören. „Die militärische Dis-
ziplinargewalt aber erschöpft sich innerhalb des Heeres. Außerhalb des-